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Anhang.
bereitungston, Contoure zeichnend, obenaufzmntilen, (icnselbcn
bisweilen nicht einmal wieder mit heller Deckfarbe übergehend.
Seine Bilder sind auf die Entfernung berechnet. Aber neben
den vollendeten Bildern Tizian's') betrachtet, sind sie aller-
dings etwas blassfarbig und trüb. .
Das Unlasirtlassen der hellen Deckfarbenvorbereitung in den
Lichtern ward bei der zunehmenden Geschwindmalerei immer
häufiger. Es hatte natürlich auch seinen Einfluss auf den colo-
ristischen (ireschmack. Da man wohl fühlte, dass Deckfarbig-
keit, wenn sie stark localfarbig auftritt, neben stark durch-
leuchteter Schönfarbigkeit schmutzig und trüb aussieht, so liess
man die breiten Lichtmassen immer mehr in's farblose Helle
gehen. Die Farbe wurde in die Schatten verlegt, wie dies bei
weissem Lichte natürlich ist, und um doch im Bilde farbenreich
zu sein, wurden die vom Licht verschiedenfarbigen Schatten
schillernder Gewänder immer mehr zur Liebhaberei. Wir sehen
sie wohl auch auf älteren Bildern, aber hier schildern sie in
der That kostbare schillernde Seidenstoffe. Späterhin kommt
es hierauf nicht an. Die Vielfarbigkeit ist mit Intcnsivlasur in
die Schatten verlegt, das Licht der Falten fast in allen Ge-
wändern nahezu weiss, um dem ganzen Bild auch in vor-
herrschender Deckfarbentechnik verbreitete llfelligkeit zu
sichern.
Der
Einflu ss de s
Colorirte
M i c h e 1
Form.
Ikngelo.
YVie wichtig für das Gedeihen der Kunstübung der Ein-
klang der geistigen Absicht des Künstler mit dem technischen
Vermö en sei, dieses als die leiehmässi e Beherrschun des
g
ganzen Complexes künstlerischer Darstellungsnnttel verstanden,
zeigt sich nirgends in die Augen fallender, als an dem nach-
1) Ein wunderbar schönes Beispiel heller deckfarbiger Bbrlnenvorbe-
reitung ist im Belvedere in Wien die unfertige Tiziankche Madonna mit
dem stehenden Kinde. Dass eine Modellirung, wie die dieses Kinderkörpers.
sich vortrefflich lasirend coloriren lassen müsse, kann keinem Zweifel unter-
liegen.