der alten
Kunstwerken
Führung der Arbeit
Schulen.
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licher und aller Gestalt befreit von der Kleinlichkeit und
Dunipfheit des Klebens am einzelnen Fall. An die Stelle
sclavischer Nachahmung des Modells trat die Vorstellung von
der idealen Vollkommenheit des Körpers.
Was nun (las Libro di Pittura und die zu demselben ge-
hörigen Notizen doppelt Iesenswerth macht, ist, dass d a
Vinci in ihnen die Stadien der Heranbildung und Vollenl
dung seiner Gedanken niedergelegt hat. Sich im Leuchten
dieser hellen Gedanken zu sonnen, erweckt dasselbe Wohl-
gefühl, welches uns jedesmal überkommt, wenn wir einer aus
jener schönen Zeit des Einklangs zwischen abstractem und
anschaulichem Denken herstammenden Geistesausserung be-
gegnen. Die Sprache wird um so deutlicher, als er Vielfach
die ihm zu langsamen Zeitgenossen stachelt.
Gar vielen Künstlern erscheint das, was dort geschrieben
steht, jetzt, nachdem es Lionardo gesagt hat, wie "Kinder-
spiel. Eine andere Frage ist aber die, ob sie die Kraft be-
sitzen, danach zu handeln, und doch wäre die Befolgung
der Lehre das Hauptsächliche. Denn wenn es die vornehmste
Aufgabe der Kunstforschung ist, der Beschaffung und Hand-
habung von Dzirstellungsinitteln nachzuspüren, so erwachsen
V erstandniss und Würdigung dieser Dinge erst vollkommen
aus der Praxis derselben. Und oft wird gerade das, was sich
in Zeiten solcher Kunstblüthe, wie die Renaissance war, zur
leichtestverstandlichen Klarheit und Einfachheit des Gedanken-
ausdrucks "heranbildete, in der Praxis seine unendliche Tiefe
und zugleich seine Schwierigkeiten erschliessen. Der Kunst-
forscher, der in die innere Geschichte der Epochen einzu-
dringen beginnt, wird finden, dass gerade jene einfachsten
Aussprüche hellen Menschenverstandes, die sich geistreichen
Phantasieen gegenüber so wenig blendend ausnehmen, die
Blüthen nur der allerintensivsten Geistesarbeit sind, und der
Künstler, der sich in das practische Verstandniss jener Lehren
vertieft, wird inne, dass auch die Kraft des lebhaftesten Talents
ihn im Stich lässt, wenn sich derselben nicht die bescheident-
lichstc Geduld und die inannhztfteste Ausdauer paaren,