Volltext: Über die Grundsätze der Ölmalerei und das Verfahren der classischen Meister

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Anhang. 
coloristischen Geschmack an sich umzuwandeln, wie das (Ülair- 
obseur des Lionardo that, da es die Gesetze der malerischen 
Rundung enthielt.  
Die neue Weise des Lionardo bloss von der Seite des 
Farbenreizes ansehen; heisst dieselbe überhaupt nicht ver- 
stehen. Sie geht Hand in Hand mit seiner Anatomie und 
mit seiner Statik und hat mit diesen den gemeinsamen Zweck 
plastischer Darstellung der lebendigen und Leben in Bewe- 
gung bethatigenden Körperforin. In demselben Sinn dringt 
Lio n ar d 0 auf Kenntniss der Perspeetive, welche die lebendige 
Form als Raumbeanspruchendes und Rundes darstellen hilft, 
und echt in seiner unermüdlichen Art stellt er denn auch so- 
gleich das der Linearperspective naehhelfende Wesen der Luft- 
perspective fest. 
Mit einem Wort: das Olairobseur des Lionardo hat den 
Geschmack der Zeit nicht etwa desshalb so rasch umgewandelt, 
weil es ein schöneres Element der Farbengebung gewesen 
wäre, als die schönfarbige Art. Dieses möchte discutirbar 
sein, und thatsachlich sind die besten Maler der Zeit und 
Lionardo selbst, von der anfänglich dunklen Manier, die 
der Extravaganz der schrankendurchbrcchenden Kraft zu Gute 
gehalten werden muss, wieder abgegangen. Es hat vielmehr 
desshalb so grosse und schnelle Verbreitung gefunden, weil 
es die Darstellungsform war, deren die Richtung auf den 
Formenorganismus für die Hervorhebung der Theile, 
welche das Ganze ausmachen, bedurfte. Die eigentliche Grösse 
Lionardos liegt überhaupt darin, dass er sich nirgends 
weder mit der allgemeinen Oberfläche, noch mit getrennten 
Einzelheiten begnügte, sondern dass er überall dem ganzen 
Organismus zu Leibe ging. Und aus der Anregung, die er 
hiermit gab, entsprang auch der weitverbreitete Segen, den 
er der Kunstübung hinterliess. Auf seiner Lehre konnte Oor- 
reggio sein Farbenmysterium heraufbilden, und von ilnn 
aus war der gleich farben- und formengewaltige Rafael 
möglich. Es wurde die Farbenteehnik um ein schönstes Ele- 
ment bereichert, und in demselben Augenblick wurde die 
Kunst durch das eingehende Studium des Organismus mensch-
	        
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