Führung der Arbeit an
Kunstwerken
der alten
Schulen.
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deckungen führen. So möge man also der Vorstellung ent-
sagen, er sei eigentlich vorzugsweise ein Gelehrter gewesen.
Widerspricht es doch auch ohnehin menschlicher Erfahrung,
als denkbar anzunehmen, dass man die Kunst im Sinne
Lionardos gleichsam als Nebenbeschäftigung betreiben,
dass man in Mussestunden, welche die Wissenschaft vergönnt,
solche Bilder, wie er malen und eine solche Malerschule be-
gründen könne.
Das Cinquecento ist überhaupt nur zu seiner Kunsthöhe
gelangt, weilles die Kunst mit Nachdenken betrieb, ja, weil
schon vor dieser Zeit so viele Künstler über ihr Fach tief
und ernst nachgedacht hatten, und weil der Schüler gläubig
der Tradition und dem allmählich steigenden Neuerwerb sein
Ohr lieh. Nur, dass sich dies Nachdenken mit ebensoviel
N aivetät als richtigem Tact vornehmlich auf das einzige folge-
rechter Entwickelung Fahige bezog, d. h. auf die Tüchtigkeit
und Verbesserung der Darstellung, nicht aber, wie die Specu-
lation des rein persönlichen Originalgenies des Verfalles,
(welche denn allerdings der Ueberlieferung und Fliege brauch-
barer Kunstmittel entrathen. Weit mehr noch die Erwerbung
neuer entbehren kann), auf piquante Ausspitztmg oder Neu-
erfindung des Geistesinhaltes.
Betrachtet man die Gegenstände der Kunst vom Tre-
cento an bis zum Cinquecento, so haben sich dieselben mit
wunderbarer Stätigkeit fast immer als die gleichen erliialten.
Ihre Auffassung wurde aber jedesmal nur an der Hand neuer
Darstellungsmittel eine veränderte. So bedeutet häufig, ein
Bereicherer des technischen Vermögens zu sein, zugleich auch,
zum Veranderer der Auffassungsweise zu werden, wie das
zum Beispiel an Giotto und van Eyck, an Lionardo
und Michel Angelo deutlich wird. Ja, jedes neue Dar-
stellungsmittel muss auf die Auffassung wirken, sobald näm-
lich der Darstellung ihr Rang erhalten bleibt.
Jedenfalls aber, wenn auch einmal ein neues Darstellungs-
mittel nicht von solcher Bedeutung war, dass seine Einwir-
kung auf die Auffassung sogleich lebhaft in den Vordergrund
trat, die Künstler jener Zeit hatten es doch so sehr mit der