Volltext: Über die Grundsätze der Ölmalerei und das Verfahren der classischen Meister

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Anhang. 
Gewandtheit philosophisch geschulten Begriffebildens und 
Systeme aufstellenden Schlussvermögens Verstanden wird, in 
der unsere Zeit so glänzend vorwarts geeilt ist. Wie unend- 
lich weit aber Lionardo von dieser Denkmanier entfernt 
war, geht am schlagendsten aus dem Umstand hervor, dass 
er sich nicht einmal entschloss, seinem Schriftnachlass die 
stets angestrebte oder vorschwebende einheitliche Gestalt zu 
geben; und diese Aufzeichnungen enthalten doch lauter ein- 
ander nahverwandte und durch eine gemeinsame Absicht ver- 
knüpfte Dinge. Er aber wiederholt unverdrossen einzelne 
Fälle zu häufigen Malen und sucht jeden derselben von 
vielen verschiedenen Seiten zu beleuchten. Dass der einzelne 
Fall von allen Seiten her verständlich werde und bleibe, war 
ihm hochwichtig, und. sein practisches Naturell warnte ihn 
davor, denselben voreilig irgend einem allgemeinen "Schema 
unterzuordnen, in welchem er vielleicht doch nicht mit der 
ganzen Summe seiner Eigenheiten aufgegangen sein möchte. 
Das ist ja aber gerade Eigenheit der philosophischen Manier. 
dass ihr das Systeme-bilden, das Aufstellen zusammenfassen- 
der Dogmen -freilich auch das Fallenlassen der aufgestellten 
 so leicht wird. Wollten wir es aber dem Lionardo zum 
Vorwurf machen, dass sein anschauliches Denken nicht bis 
zu übersichtlicher Zusammenordnung gelangte, so würde seine 
Vertheidigung auf der Hand liegen. Er entschädigt uns, erstens, 
indem er wirklich keinem einzelnen Fall Gewalt anthut, und 
zweitens, durch das Hervergehen einer practisch verwend- 
baren Arbeitsmethode, die sich dem Uebenden erschliessen 
wird, welcher, die an Stelle von ästhetischen Dogmen stehen- 
den anschaulichen Kunstwerke des Meisters im Auge, dem 
Sinne seiner zerstreuten Aufzeichnungen zustrebt. 
Das Denken des Lionardo war jenes einfach anschau- 
liche des Künstlers, zu welchem nichts als gesunde practische 
Beobachtungsgabe und gesunder Menschenverstand nöthig zu 
sein scheinen. Denkt man an die kindlich anmuthende sinn- 
liche Freude des Besehreibens, die sich z. B. in der Anwei- 
sung "Einen Sturm", oder „Eine Schlacht zu malen", aus- 
spricht, so kann man hieran nicht zweifeln. Freilich möchte
	        
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