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Zweiter
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farbig und harmonisch, in sehlechtgeformteix Nlustern. so wen-
den wir den Blick unbefriedigt hinweg.
Wie viel geringer ist denn die Selbständigkeit der Fi-IFDO
im sinnvollen Kunstwerk. Hier kann das Colorit wohl
den Sinn des Werks heben und ihn eigenthümlich begleiten,
wie ein stimmungerhöhender Klang. Es kann wohl "benützt
sein, das Auge lebhaft auf die Ilauptsache im Bilde zu ziehen.
Wohl sind uns von der Naturerscheinung her FOFII] und Farbe
der Dinge auf's Engste in der Vorstellung verknüpft. Es
wird ein guter Colorist also auch wohl vermögen, die poetische
Wirkung seines Bildes eigenthümlichei" zu erhöhen, den Be-
sehauer lebhafter zu fesseln, Formen vollkommener hervorzu-
heben, als ein schlechter es vermag. Aber was er hGTVOP-
heben Will, muss er vor allen Dingen erst an und f ü r sich
gut darzustellen Wissen. Der schlechte Zeichner stellt mit
dem verhaltnissmassig guten Colorit nur die Mangelhaftigkeit
der Form in helleres Licht. Sein Colorit fällt nun wohl als
das Bessere im Bilde auf, aber über die schlechte Form bringt
uns das nicht hinweg.
In dieser Weise machen sich denn auch die Deeadenz-
maler, z. B. die Spanier, so lebhaft als gute Coloristen be-
merklieh. Das Colorit des Rafael oder des Holbein,
obgleich es viel kunstvoller, reicher und vollkommener ist,
fallt gar nicht als etwas Besonderes im Bilde auf. Es hat
gerade den Vorzug, dass Wir die vielseitige Kunst, Welche in
ihm liegt, gar nicht gesondert bemerken. Die Farbe dient
nur, wie jegliches der übrigen Darstellungsniittel, der Einheit
des Ganzen. Mit ihrer demonstrativen Kraft hebt sie zuerst
die Form rundend hervor, und wo der Fornienausdruek sein
Schönstes geleistet hat, lagert sie sich dann wieder, wie ein
von seinem Sinne beseelter Hauch, reizvoll über ihn hin.
Also lerne der Maler die Farbe zur Stützung der Form
zu benützen, und um dieses verständig zu leisten, sei, Wer
ein guter Colorist werden will, vor allen Dingen darauf be-
dacht, zeichnen zu lernen.