Volltext: Über die Grundsätze der Ölmalerei und das Verfahren der classischen Meister

Praxis. 
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stören würde, sondern weil der Hauptadel, den er seinem 
Kunstwerk verleiht, die Ausprägung eines vornehmen Schön- 
heitssinnes ist. Die Vornehinheit dieses Sinnes duldet auch 
nicht den mindesten Anklang schlechter Sitte, und der Boden, 
auf dem sie gedeiht, ist die Ordnungsliebe 1). 
1) Es ist keine zu harte Anklage, dass das Unästhetische des Ein- 
drucks moderner Bilder allein in den nachlassigen Sitten der Werkführer 
und in der Verlotterung des Ordnungssinnes schon reichliche Erklärung 
finde. Sieht man moderne Malereien nur auf ihre Substanz hin an, so er- 
kennt man leider allzuoft, was nur die Reinlichkeit der Behandlung 
anlangt, schon eine unendliche Verkoinmniss der Feinfühligkeit des Malers. 
Wie ist es nur möglich, fragt man sich, dass gerade den Productionen, 
welche edelste Zierden menschlicher Wohnungen sein sollen, ein. so unordent- 
liches, häufig geradezu widerliche Vorstellungen erregendes Oberflächen- 
ansehen gegeben werde? Wäre doch das das Rechte, wenn wir beim Kunst- 
werke an den Stoff, in dem es ausgeführt ist, gar nicht mehr dachten, stört 
er uns doch immer die Illusion, und ist doch der Stoff der Oelfarbe wahr- 
haftig kein solcher, mit dem man prunken kann! Was nur sollen wir von 
dem gesunden Verstand des Künstlers denken, den wir eifrigst bemüht sehen, 
die Stofflichkeit seines Oelfarbenbreies möglichst zur Evidenz zu bringen 
und noch obendrein in einer Weise, als gelte es, deren Hässlichkeit neben 
der an sich viel anziehenderen Materie der umgebenden Teppiche und Mo- 
bilien hervorzuheben, welche Achtung vor seinem Beruf sollen wir bei dem 
voraussetzen, den wir etwas darin suchen sehen, gerade seiner Bildfläche 
ein schmutzigeres Ansehen zu geben, als der ungehobeltste Küchenschemel 
zur Schau trägt? Hierin prägt sich wahrhaftig nichts Geistreiches aus. Die 
Alten, vor allem die Altdeutschen, haben dem armen Stoff der Oelfarbe eine 
Vornehmheit, eine Stille, eine Reinheit des Ansehens zu verleihen gewusst, 
welche ihn weit über das Gewebe der Seide und die glänzenden Oberflächen 
der Edelsteine erhebt. Es ist nicht nur der höhere Sinn, den der Gedanken- 
inhalt seinem Kleide giebt, es ist auch nicht die Klugheit der Mittelver- 
wendung allein, die uns besticht. Wohl fällt auch sogar die Stofflichkeit 
als solche auf, aber in edler Weise. Und wir können uns nicht erwehren, 
bei dem Smalto de-r sauberen Oberflächen an die sorgsamen Augen des 
Meisters zu denken und an die edlen, emsigen Hände, die um das Entstehen 
dieser schönen Tafeln bemüht waren.  Freilich, wir wissen, es giebt heut- 
zutage nur Wenige, die dieses mitempiinden. Um so energischer müssen 
wir uns verwahren: Sollen wir durch die Materie des Kunstwerks an den 
Geist des Künstlers erinnert werden, so sei dieser wenigstenseiu „sauberer 
Geist". Das Gefühl, dass wir uns in der Gesellschaft dieses „sauberen 
Geistes" beiinden, ist nicht das Mindeste, was uns beim Erblicken alt- 
deutscher Bilder so sittigend umfängt und in die ideale Sphäre der Kunst- 
werke hinein nöthigt.
	        
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