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Abschnitt.
Zweiter
Will man ein blasses, zartes Lasurblau, -Gelb oder -Roth
mit Deckfarbe nachmischen, so muss man", um die Farben-
deutlichkeit zu erreichen, weit dunkler gehen, als die Lasur-
farbe ist. Mengung eines Pigmentes mit Weiss muss immer
viel farbloser ausfallen, als die gleich helle Mischung, die
aus Lasur über Weiss entsteht, weil auf der Mengungsober-
flache das Tageslicht weisslich farbenden Antheil nimmt; aus
der Oberfläche der Lasurschicht aber ist dieses Weiss ver-
bannt. So bleibt dem Maler, der die deutliohfarbigen Töne
des durehleuchteten Himmels aus Deckfarbe malen will,
nichts übrig, als weit dunkler zu malen, als wir. Er opfert
der Farbe sein Licht, oder thut er das Umgekehrte, so wird
seine Malerei blass gegen die unsrige, wie denn auch in
der That moderne Lüfte gegen die auf alten Bildern gemalten
immer entweder trüb und lichtlos, oder zu blass sind.
Aber der Hauptfehler derer, welche die Oelfarbe nur
als Deckfarbe gebrauchen, ist, dass sie sich und mögen
sie ihre Himmel auch noch so blassfarbig malen um die
[lnterscheidung der leichtstofflichen Luft von der schweren
Erde bringen und um die Unterscheidung des Himmelslichtes
vom Beleuchteten oder gar Beschatteten. Daher malen alle
modernen Deckfarbenmaler die Schatten schwer und schwarz.
Sie können den Unterschied derselben vom Licht nur durch
Dunkelheit und Farblosigkeit hervorbringen, und somit werden
ihre Bilder selbst nothwendig dunkler ausfallen, als die unsrigen,
in welchen doch, um das Selbstleuchten zu charakterisiren,
die höchsten Lichtcharaktere der Palette geopfert werden
müssen. Umsomehr sollten Jene vermeiden, Sonnenschein
zu malen und sich vielmehr an dem einfachen Lichte ge-
nügen lassen, Welches die alten Temperamaler schilderten,
und welches zu malen die grossen Meister der van Eyck'-
sehen Nachfolge fortführen, obgleich sie ihre Himmel nun
mit innerem Glanz zu erfüllen vermochten.
änggf Es bedarf nur eines Blickes auf die Streifen unserer
weissen Tafel, um uns einsehen zu lassen, dass für die Her-
vorbringung continuirlicher und verschmolzenster Abschat-
tirungen hier die nämliche Leichtigkeit besteht, als in der