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ohne Wissenschaft verlieben, sind wie Schiffer, die ohne
Stcuerruder oder Compass zu Schiffe gehen, sie sind nie
sicher, Wohin sie gehend. Er spricht dann im Kapitel 73
davon 1), „Wie der Maler nicht lobenswerth, wenn er nicht
allseitig ist", Wiederum eine Besprechung, welche für die
heutigen Verhältnisse von der allergrössten WVichtigkeit ge-
worden scheint, und Welche in dem damaligen Thun die
weitestgehende Erklärung findet. In dem, was Lionardo
hier wie an anderen Stellen Wünscht, ist nicht etwa das
Verlangen eines etwas sonderbaren, mehr eigenthümlich
veranlagten Mannes ausgedrückt, sondern das, was er
fordert, ist die Forderung seiner Vorgänger, die seine Er-
fahrung ihn als richtig erkennen liess; eine Forderung, die
wir übrigens von allen zu Bedeutung gelangten Männern
beobachtet und empfohlen finden. Hören wir den Anonymus
Bernensis, der um die Wende des eilften Jahrhunderts
seinen Traktat geschrieben, erglüht von Eifer für seine
Kunst und in liebenswürdiger Weise bemüht auch in
Anderen die gleiche Begeisterung und freudige Schaffens-
lust zu Wecken, oder blicken wir auf unseren Altmeister
Albertus Durerus zu dem wir ob seiner staunenswerthen
Vielseitigkeit und seinem nieversagenden Fleisse fast
bangend aufschauen müssen, bei Diesem wie bei Jenem
derselbe Rath, dasselbe Thun, der gleiche Erfolg! -Dürer
lehrt uns auch verstehen, was Lionardo da Vinci in seinem
siebzigsten Kapitel verlangt, wo er sagt, „dass man eher
den Fleiss, als die Schnellfertigkeit erlernen soll", denn
diese Angewöhnung, die in der Freude an der Arbeit
gipfelt, führt zu pietatvollem, sich nimmergenügendem Auf-
merken, Welches die kleinsten Umstände beachten lässt,
worin häufig, wenn nicht zumeist, namentlich bei Er-
ledigung rein technischer Arbeiten, der Erfolg zu suchen
ist. Hat die Vielseitigkeit, die Mancher wohl mit Zer-
splitterung verwechselt hat, etwa jenen Männern geschadet?
Gewiss waren sie Giganten in der Kunst, aber sie sind
aus den gleichen Verhältnissen hervorgegangen und nur
durch diese Dasjenige geworden, was sie eben geworden
sind. Auch ist es leicht nachzuweisen, dass Diejenigen,
die unter jenen Meistern gearbeitet, eben durch ihre Ge-
wöhnung und ihr vielseitiges Unterrichtetsein eine Lebens-
stellung erreicht, die ein genügendes Auskommen sicherte,
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