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nur als eine herrliche Nachblüthe zu bezeichnen. Denn
auf dem Gebiete der Webe- und Blärhekunst galten die
Aegypter schon früh als Meister. Desgleichen im Bronee-
guss, der Goldsehmicdekunst, der Waffcnfalurikation; die
gleiche Erfahrung und Gewandtheit bekunden sie in den
Elfenbein- und Holzarbeiten, und wenn sie in der Papyrus-
tabrikation unerreicht waren, so wurden sie in der Stein-
schneidekunst und der Behandlung des Glases wenigstens
nicht übertroffen. Die hohe Entwickelung, die gleichzeitig
der Schiffbau erfuhr, hob den Verkehr, und führte der
weitreichende Handel ungeinessene Reichthünier dem Lande
zu. Gross sind alle Lebensausserungcn, denen wir in
diesem Lande begegnen: gross war es in seinen wissen-
schaftlichen Leistungen, gross in Beherrschung der ihm
durch die Natur gebotenen Mittel, deren vereintes Zusammen-
wirken wir in den, gewaltsamer Verwüstung wie der Zeit
trotzenden Bauten und den auf die Hebung des Acker-
baues des Landes Kraft hinzielenden Nilregilliertingen,
bewundernd anerkennen müssen, die an Grossartigkeit der
Anlage und zielbewusster Durchführung ihres Gleichen
suchen. Doch wie dem Grossen, so wurde auch dem
Geringeren jene Sorgfalt zu theil, die wir bei so allseitig
gereiften Anschauungen voraussetzen dürfen, und schlossen
sich dementsprechend auch die Werke der Kleinkunst
würdig jenen Gesammtausserungen an. Fünf Jahr-
tausende trennen uns von der Zeit des Chefren und seiner
Nachfolger, der Erbauer der grossen Pyramiden von
el-Gise. Diese Pyramidenbauepoche war eine Zeit ruhigen
Wohlergehens. Alles tragt den Stempel des Friedens.
Am Griffe des Piluges und Handwerkszeuges und nicht
an dem des Schwertes härtete sich die Hand des gemeinen
Mannes (G. Ebers). lnnig und würdig zeigt sich uns
das Familienleben zu jener Zeit; Frohsinn und harmlose
Lebenslust aussern sich unverkennbar. Bezeichnend für
das Verhältniss zwischen Fürst und Volk ist es, dass
Ameni, aus der Zeit der XII. Dynastie, ein in den Grüften
zu Beni-Hasan beigesetzter Grosse, sich rühmt, dass er
keine Wittwe bedrückt, keinen Bauern bedrängt, keinen
Hirten vertrieben; kurz, dass kein Mensch zu seiner Zeit
elend gewesen sei. Denn als die Hungersnoth herein-
gebrochen, habe er die Aecker bis zu den Grenzen seines
Gau's bestellt, und Speise seinen Bewohnern gereicht;
kein Hungernder sei in jenen Tagen gewesen. Von den