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war gewiss allgemein, und gewisse Verfahrungsiveiser
innerhalb bestimmter Kreise kein Geheimniss. Die Be-
dürfnissfrage ist also die gleiche geblieben, und damit wai
die Üebung, die zur Erhaltung der ererbten Traditioncr
erforderlich war, gesichert. Denn auf dem nur etwa acht-
zehn Stunden langen und vier bis sechs Stunden breiter
Chersones zählt man heute neunhundertfünfunddreissig
Kirchen, Kapellen und Bethäuser, die fast alle mit Fresken
bemalt und mit Holzgemülden bedeckt sind, wobei der ir
den grossen Klöstern ausgernalten Refectorien und (lGl
Mosaiken von Vatopedi und Saneta Laura nicht einmal
gedacht ist. Und wenn uns Didron d. Alt. den bei de1
Arbeit beobachteten Maler Joasaph im Kloster Esphigmenu
als einen Meister ersten Ranges hinstellt, so fehlt es auch
nicht an Herstellern unvollkommenerer Arbeiten. Es sind
jene Arbeiten, die ausserhalb der grossen Cönobien von
jenen in Separatklausen und Einsiedeleien streng-geschieden
lebenden Anaehoreten in gebetfreien Momenten verfertigt
werden, die gegen diese Binsengeilechte, geschnitzte Löffel,
Kreuze und Rosenkränze, Bildwerk aus Horn, gemalten
Heiligenbildern, Gewebe- und Striekarbeiten das Wenige
zu ihrer Erhaltung Erforderliche eintauschen. Zur Er-
gänzung des Gesagten darf hier nicht unerwähnt bleiben,
dass die sich als ausserst lückenhaft erweisenden geschicht-
lichen Berichte über die Entstehung und Entwickelung
dieser gewaltigen Mönchsinstitute und Klosterburgen des
Athos, zunächst auf die Lebensanschauung jener Bewohner
zurückzuführen sind. Denn auf die Frage nach den
Annalen und den vorhandenen geschichtlichen Documenten
erhielt Fallmerayer überall die gleiehlautende Antwort:
„wir sind hier nur vorübergehend, sind nur Gäste, die auf
ihrer Wanderschaft zur Ewigkeit heute einkehren und
morgen den Platz Andern überlassen: unser Geschäft ist
Gebet und Kirehendienst, alles andere überflüssig". Es
findet sich auch keine Andeutung, dass der Athos jemals
irgend eine politische Rolle gespielt hatte, was von den
westlich gelegenen Nachbar-Chersoriesen nicht gesagt werden
kann. Zu jeder Zeit, selbst in den Tagen schwerwiegenster
Umwälzungen, ruht der Athos scheinbar in vollster Welt-
abgesehiedenheit. Dies erklärt auch weiterhin die schon
auf Grund der die Geschichte ergänzenden Legenden aus-
gesprochene Vermuthung, dass die ehemaligen Athos-
Städtebewohnci- Klosterleutcn gewichen, und dass dann