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weitere Ergänzung findet.) Es ist oben gegebenem Berichte
Diodors noch beizufügen, was er Capitel 98 desselben Buches
erwähnt, wo er sagt, dass auch die bekanntesten unter den
alten Bildhauern Aegypten besucht und dort die Prinzipien jener
so riihmenswerthen Massvollendung, Masseinheit kennen gelernt,
in der es die Aegypter schon zur höchsten Vollendung gebracht
hatten.
Damit kann nun keineswegs eine Vernichtung oder ein to-
tales Aufgehen des Hellenenthums in's Slaventhum ausgesprochen
werden, eine Ansicht, die zur Zeit mit grosser Wissenschaftlich-
keit verfochten worden ist; denn es fehlt wahrlich nicht an
Zeugnissen für das Fortbestehen und ungehemmte geistige Wirken
der Hellenen zu eben jener Zeit. Zwar ist die Annahme des
slavischen Idioms seitens der Hellenen unleugbar, doch beweist
sie nur, dass durch die numerische Ueberlegenheit der Einge-
drungenen für die betroffenen griechischen Stämme der Gebrauch
der slairischen Sprache schon aus rein praktischen Gründen eine
Nothwendigkeit geworden war, so wie ähnliche Verhältnisse zur
Stunde noch vieler Orten zu beobachten sind. Denn mit der
später erfolgten Verschiebung des Uebergewichts trat auch die
alte Landessprache wieder in ihr Recht, ein Umstand, der allein
schon beweist, dass lediglich ein Zurückdrängen, eine Vermischung,
aber kein Untergehen, kein Verschwinden der hellenischen Stämme
angenommen werden darf. Denn wäre vor den einbrechenden
Slaven-Strömen das althellenische Element der Vernichtung an-
heimgefallen, wie hätte dann ein späteres Wiederaufleben, wie
hätten seitens der Besiegten geistige Beeinflussungen stattfinden
können, die thatsachlich die Besiegten zu Siegern') machten!
Denn auch die Slaven erfuhren im Verlaufe der Zeit, was nach
Juvenalz) vordem schon der Welt-Beherrscherin, der ewigen Roma
widerfahren war, die unter griechischem Einflusse "Sitten und
1) Aehnliehe Vorgänge sind auf Sicilien zu beobachten. Graf v.
Scheck schreibt in seiner "Poesie und Kunst der Araber in Spanien und
Sicilien" (Stuttgart, Cottalsehe Buchhandlung 1877): "Nachdem sich Roger
und seine normannischen Ritter der, aufs neue von inneren Unruhen
zerrissenen, Insel bemächtigt hatten, konnten sie den Einflüssen
des besiegten Volkes nicht entgehen Und wie die Nord-
landsreeken sich in den zauberischen Schlössern und Gärten der sara-
cenisc-hen Emire von aller Pracht und allem Luxus des Orients umringt
sahen, gewannen die Reize von Kunst und Natur, die Weichheit des
Klimas und die ungleich höhere Civilisation der Muhamedaner,
unversehens Macht über sie. Sitten, Künste und Wissen-
schaften der Ueberwundenen theilten sich den Eroberern mit." (B. II.
O. XII. S. 7.)
2) Sat. III. V. 60 u. w.