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unter seinen Standbildern Capitel 14 in "Athamas". „Es war
ein Bild nicht blos zur Schau, sondern auch zum
Wettstreit mit den schönen Werken der Malerei, nicht ohne
Kunstgeschick ausgearbeitet Athamas im Zustande
des Wahnsinnes. Unbekleidet, das vordere Haupthaar blutig,
das lange Haar flatternd in der Luft, irre sein Auge, ganz
ausser sich ein Schwert war, wie schon gezückt, aus
seiner Hand gefallen. Freilich war die Hand in der Wirklich-
keit unbeweglich; aber sie schien nicht ruhig zu halten, sondern
sich zu bewegen.
Auch Ino war da, vor Furcht blass, und todtenähnlichen
Aussehens Die brausende See, sonst gewohnt, hohe
Wellen zu schlagen, bauschte sich zur Aufnahme. Auch der
West war leibhaftig darauf, welcher mit pfeifendem Hauche die
See zur Ruhe brachte. Denn das Wachs täuschte lebhaft die
Empfindung, als wenn es Wehen des Windes zu bezverkstelligen,
und die Seelüfte aufzuregen, und eine Nachahmung zu verwirk-
lichen verstände. Daneben sprangen auch Delphine aus der See
empor, die Woge im Gemälde durchschneidend. Auch oben
hin durchweht zu werden schien das Wachs, und zur schein-
baren Nachahmung der See von ihr die Fähigkeit zu borgen.
Ja am Rande des Gemäldes tauchte Amphitrite aus der Tiefe
hervor . etc.
Lindau bemerkt zur Uebersetzung vorstehenden Textes:
„Zum Schluss" (der Beschreibung von Kallistratus Standbildern)
„seltsa1ner Weise ein Gemälde, Merkwürdig ist, dass bei
diesem Bilde des YVachses als Malerstoffes Erwähnung
geschieht . Ich möchte es für ein Kunstwerk erklären,
das in der Mitte zwischen Plastik und Graphik hielt". So
nimmt des Kallistratus Werk unser Interesse in doppelter Weise
in Anspruch. Einmal handelt es sich nach der Beschrei-
bung um eine polychrom ausgestattete plastische Arbeit,
zum andern bietet es einen Hinwei-s auf das zum Farbenauftrag
erforderliche oder gebräuchliche Bindemittel. Da Kallistratus
beginnend sagt: „Es war ein Bild . zum Wettstreit mit
den schönen Werken der Malerei, nicht ohne Kunstgeschick
ausgearbeitet" und indem er wiederholt das Werk
als Gemälde bezeichnet, so ist dabei durch die mehrmalige Her-
vorhebung des Wachses mit Rücksicht auf verschiedene Stellen
anderer Autoren, die eine Identilizirung des Wachsesl) mit der
1) Der Beginn der Ode
stätigen. Dort heisst es:
XXVIII
Anakreons
mag
dies schon
14'"