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der Pomeranze von Riseh, dem Granatapfel von Unieh, der Feige
von Trabosan und der Olive von Platana ist es der NLISSbEIUm
von Karydia, der trotz mächtiger Rivalen in dem duft- und
fruchtreichen Buschwald nicht seines Gleichen hat, denn eben
hier erreicht er durch ein besonders glückliches Zusammen-
wirken der Luft- und Bodenverhältnisse die denkbar grösste Voll-
kommenheit.
Diese Ausführungen über alt-ägyptische Kunst wird Mancher
vielleicht mit seltsamen Gefühlen verfolgt haben, da die land-
läufige Ansicht, dass seelenloser Schematismus diese Kunst be-
herrscht, selbst in Kreisen Eingang und Weiterverbreitung ge-
funden hat, wo man richtigere Anschauungen vermuthen sollte.
Deshalb ist es gewiss nicht nutzlos, neben den hochwichtigen
Mittheilungen von Spezialforschern, das Urtheil eines vorurtheils-
frei beobachtenden Reisenden zu vernehmen, dessen Tagebuch-
notizen uns die atlgenblicklichen Eindrücke in trefflichster Weise
schildern. Wir lesen in Dr. Paul Kepplers "Wanderfahrten und
Wallfahrten im Orient" (Seite 68): „Das Museum von Gizeh.
Altägyptische Kunst". (Samstag, 19. März, St. Joseph.)
"Saal um Saal durchwandert! Aber unfähig, etwas zu
schreiben, vor gewaltig gährender innerer Bewegung. Entschluss,
dem Museum mindestens noch einen Tag zu widmen. Wenn
man alles gesehen hat, Rom und Athen, altklassische, mittel-
alterliche und Renaissancekunst diese Kunst spricht mit so
elementarem Nachdruck, mit solch überwältigender Kraft, dass
man alles andere darüber für einige Zeit vergisst. Der Gering-
schätzung, mit welcher man bei uns auch in sonst wohlgebildeten
Kreisen die ägyptische Kunst immer noch behandelt, hatte ich
mich schon länger entwunden; ich war auf Grosses gefasst, aber
meine Fassung erlag der Ueberraschung. Man fühlt es, dass
man hier an den Urquellen der Kunst steht und trinkt.
Dienstag, 22. März. Zweiter Besuch des Museums. Der
kundige und freundliche Landsmann, Herr von Niemeyer, erster
Dragoman bei der deutschen Botschaft, hat die Güte, mir als
Führer zu dienen. . Die Eindrücke und Einblicke fangen
an sich zu klären. Was folgt, ist der Niederschlag derselben.
"Aegyptisch-steif". Das die bekannte Charakteristik, mitwelcher
man heute noch selbst in gebildeten Kreisen die ägyptische Kunst,
mindestens ihre Skulptur und Malerei, abfertigt. Haben die, welche
so urtheilen, jemals auch nur mangelhafte Abbildungen der zahl-
losen Reliefbilder der Mastabenl) aus der Zeit des alten Reiches,
Die zu Todtenwohnungen
errichteten
"Freibauten"
Gegen-