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einem aussen angebrachten Bilde können zunächst keine wasser-
löslichen Mittel verwendet werden. Dazu verlangt das hier an-
gewandte Verfahren auch die Möglichkeit der rninutiösesten
Durchführung. Es kann demnach nicht von jener Enkatlstik die
Rede sein, wie man sie nach des Plinius Angaben zu rekon-
struiren versucht hat. Die Beschreibung jenes Gemäldes zwingt
uns vielmehr ein Verfahren anzunehmen, das über die voll-
kommensten Malmittel verfügte. Wer den Text mit Aufmerk-
samkeit verfolgt, dem treten bei Betrachtung jenes alt-griechi-
schen Werkes gleichsam wie die wechselnden sich ent-
wickelnden und wieder verschwindenden Bilder einer Fata
morgana eine ganze Reihe jener kostbaren Meisterwerke vor
das geistige Auge, die wir der Vlämischen und der Kölner
Schule danken. Von der van Evckls Anbetung des Lammes
abwärts sind es des Rogier van der Weyde, Memling,
Quvntin Messis und der benannten wie der namenlosen
Kölner Meister treffliche Werke, die uns in ihrem milden
Perlglanz und ihrer zauberischen Tiefe unvergesslich bleiben,
und welche mit diesen Vorzügen eine fast unvergängliche Dauer
zu vereinen scheinen. Keiner hat es ihnen vorgemacht, denn
van Eyck trat unvermittelt mit seiner neuen, umgestaltenden
Technik hervor; und da uns trotz der weiten Verbreitung des
Verfahrens keiner seiner Nachfolger das von den Erfindern streng
gehütete Geheimniss enthüllt hat, so dürfen bei der Untersuchung
analoger Verhältnisse in Griechenland eben darauf begründete
Rückschlüsse berechtigt erscheinen, wenn wir uns zur Annahme
einer durch ihre Vollkommenheit gleich räthselhaften Maltechnik
gedrängt sehen. Schon ein flüchtiger Vergleich der flandrischen
Kunsttechnik mit dem kölnischen Malverfahren erleichtert dies.
Wir lesen nämlich in Johann Jakob Merlols neuer Bearbeitung
der „Kölnischen Künstler in alter und neuer Zeit" durch
Firmenich-Richartz (Düsseldorf, L. Schwann, 1895) Seite 843,
wo sich der ältesten Beschreibung des "Dombildes" die jüngste,
aus der Geschichte der Malerei von Woltmann und Woermann
angereiht findet: „Ueber die Technik und die Farbenmaterialien
ein bestimmtes Urtheil zu gewinnen, ist schwer. Die Malerei
ist nicht mehr die Temperatechnik der vorhergehenden Gene-
ration, ohne dass sich mit Sicherheit eine Anwendung eigent-
licher Oelmalerei constatiren liesse. Jedenfalls liess das ver-
wendete Bindemittel die zarteste Verschmelzung zu. Aber der
Vortrag ist viel dünner und flüssiger als der der Niederländer."
Hiernach hätten wir es also schon innerhalb einer kurzen
Periode mit zwei verschiedenen, jedoch dieselben phänomenalen