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gemein gewordenen Verlangen nach sinnenfälliger Wahrheit voll-
kommen zu entsprechen. Eines aber hat er dabei sei es
als Schüler Fiesoles, oder in angeborener Sinnesrichtung
unxrertirüchlich befolgt: das Hässliche und Gemeine seiner Kunst
fern zu halten." Wir finden nach des Cebes Erzählung Jüng-
linge verwundert vor einem allegorischen Gemälde stehen, über
dessen Bedeutung sich streitend. Da tritt ein Greis zu ihnen,
ein Schüler Dessen, der das Gemälde nach seiner Angabe ver-
fertigen liess, und erläutert es ihnen. Es stellte das mensch-
liche Leben dar, dargestellt unter dem Bilde eines Gehäges,
welches weitere Gehäge und Räumlichkeiten landschaftlich
Cibersichtlich, trefflich gestaltet umsehloss. Am Haupteingange
steht ein Genius, den Eintretenden gute Lehren zu geben, aber
ach! die Meisten vergessen dieselben wieder, sobald sie den
Tauineltrank der Verführung, jenen Täuschungstrank des lrrthums
und der Unwissenheit gekostet haben. Sklave ihrer Lüste und
Begierden, durch der Glüeksgöttin unbeständige Gaben noch
unglücklicher geworden, sehen wir sie bald von Laster umgarnt,
denen Schmerzen, Betrübniss, Strafe, Jammer und Verzweiflung
unabwendbar folgen! Manchem naht sich helfend die Reue, die
sie aus dem Elende herausreisst; doch auch dann haben die
Gefahren für den Menschen noch kein Ende. Unter neuen
Bedrängnissen ringen sich die Befreiten aufwärts; doch nur
Wenigen gelingt es die Vorurtheile zu besiegen und zur wahren
Bildung zu gelangen, wo denselben Enthaltsamkeit und Beharr-
lichkeit den Wohnort der Seligen erreichen helfen.
Aus dem ersten Satze jener Gemäldebeschreibung ver-
nehmen wir nun zunächst, dass es sich um ein aussen ange-
brachtes Tafelgemälde handelt, denn der Satz lautet folgender-
massenzä) „Wir lustwandelten zufällig im Tempel des Kronos, wo
unter manchen andern Weihgeschenken, die wir betrachteten,
auch vor dem Tempel eine Tafel hing, auf welcher sich ein
fremdes Gemälde befand, das eigenthümliche Vorstellungen ent-
hielt Es war also ein Tafelgemälde, und als solches von
beschränkter Grösse; es war dazu aussen angebracht, demnach
mit einem Materiale gemalt, das eine solche Anbringung er-
laubte. Diese Mittheilung zwingt uns aber zu untersuchen, auf
welchem Grunde das Bild gemalt worden und welche Art der
Technik zu gedachtem Zwecke Bedingung sein musste. Ein
Tafelgemälde, welches aber im Portikus, in der Vorhalle eines
Tempels aufgehängt werden darf, wo es dem Witterungswechsel
als Nach der Ucbersetzung von M. Karl Pfaif, Cnnrector am Kthxigl.
Württemberg. Pädagogium zu Esslingen. Stuttgart, J. B. Mctzler 18147,