Volltext: Studien zur Geschichte der Oelfarbentechnik

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handwerker und Künstler an jener Stelle sind Seite 179 und 180 
des Anhanges die näheren Nachweise erbracht worden.) Dem 
erwähnten Motive begegnen wir weiterhin in Venedig zu San 
Marco, wo die vom Bauine ausgehende Ornamentranke den 
Pfau (bei den ältesten Christen als Symbol der Unsterblichkeit)  
mnschliesst. Dass wir bei der Herleitung dieser Motive keiner 
Tätuschung anheirnfallen, sichert uns ein von Fisehbachz) repro- 
duzirtes byzantinisches Gewebe, welches dem Genannten zufolge 
aus Antioehia herrühren dürfte und dem 10. bis 12. Jahrhundert 
angehört. Dieses Gewebe stellt den Lebensbaum, den heiligen 
Hom, zwischen zwei (ireifens) dar. Wie alle vorher erwähnten 
1) Abbildung bei Owen Jones, Gram. of Orn. Pl. XXVIII Nr. 12.  
Weiteres sehe man bei Detzel, Christl. Ikonographie S. 31. 
2) Friedrich Fischbach (Direktor der Kunstgewerbeschule zu St. 
Gallen), "Ornamente der Gewebe", unter Tafel 4a. 
a) Man sehe dazu Alois Riegl, Stilfragen; Fig. 4, S. 35.  Diese 
Darstellung bei Fisehbach verdient besondere Beachtung, denn einmal 
entspricht ihre Anordnung in überraschender Weise jenem vorhin er- 
wähnten assyrischen Relief, zum andern ist der Greif nicht etwa nur 
ein löwengeschwiinztes, krallen- und sehnabelbewehrtes Fabelthier, denn 
sein Name schon ist mit dem 795111, dem heiligen Vogel des Apollo im 
Hyperboräer- oder Paradiesesland offenbar identisch.  Nach Dr. Hein- 
rich Lücken ist es jener Vogel, den wir bei den Aegyptern als den 
Vogel Phönix wiederfinden. Es ist jener Vogel, wie der Genannte in 
seinem Werke "Die 'l'raditionen des Menschengeschlechtes oder die Ur- 
olfenbarung Gottes unter den Heiden" (Münster, Verlag der Aschen- 
dorffschen Buchhandlung, 1869) S. 16 ausführt, dem wir bei den Indern, 
Germanen, Phöniciern, Persern, Arabern etc. als dem auf der Höhe des 
Weltberges, dessen Spitze in den Himmel ragt, als thronendem WVäehter, 
dem guten Geist, dem Geist des Lichts und Bekämpfer des bösen 
Dämons begegnen, welcher der neidischen alten Schlange, die am Fusse 
des WVeltberges die Wurzeln des Lebensbaumes benagt, wie der Cherub 
des Paradieses gegenübersteht.  Für diese, wie zur Erklärung anderer 
Stellen will ich noch ein Wort FischbacWs hieher setzen. Er sagt in 
seiner schon erwähnten „Geschichte der 'l'extilkunst" S. 22: "Die tiefe 
Durchgeistigung der griechischen Symbolik hat in römischer und früh- 
ehristlicher Zeit noch nachgewirkt. Haben wir auch nur spätrömisehe 
Gewebe, so müssen wir bei diesen sowohl wie bei den kleinasiatischen 
und byzantinischen Geweben die Thiersymbolik der Griechen zu Grunde 
legen. Mit veränderter religiöser Anschauung wurden oft auf christliche 
Persönlichkeiten diese altheidnischen Symbole übertragen."  Soweit 
Fischbach.  Ich kann aber nicht umhin, hier einer Stelle zu gedenken, 
welche uns weitere Aufklärung sichert, indem es uns nicht befriedigt, 
nur zu wissen, dass die griechische Symbolik selbst im Christenthume 
Aufnahme und Vererbung gefunden, da wir schon mehrfach gesehen, 
wie die Griechen selbst an andern Quellen geschöpft und nur fortgesetzt, 
was jene Völker, denen sie's entlehnt, wieder ererbt, und die durch 
weitere Zuthaten nur den Ursprung verdunkelt hatten.  "Gestützt auf 
die Bibel", sagt Napoleon 1., "gibt das Christenthum die beste Erklärung 
von den Traditionen der Welt".
	        
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