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Verfahren ist aber für uns desshalb besonders erwähnens-
Werth und lehrreich, weil es zeigt, wie in der Farben-
technik scheinbar ganz unwesentliche Dinge 1) von grösster
Bedeutung werden können. Man erzielte früher mittelst
dieses Verfahrens ein Produkt von grosser Weisse und
bedeutender Deckkraft, also Eigenschaften, die den
wirklichen Werth eines Bleiweisses bestimmen. Die heute
angewandte Methode erzielt Bleiweiss in weit kürzerer Zeit
und darin beruht die Verbesserung. Nach der hollän-
dischen, der ältesten Methode erzielte man aus 12,000 Kilo-
gramm Blei in circa zehn Wochen eine Ausbeute von circa
10,000 Kilogramm Bleiweiss, wohingegen diese Umwandlung
nach der deutschen Methode nur fünf bis sechs Wochen
erfordert. Die alte, heute als veraltet angesehene Me-
thode bestand darin, dünne, in Gitterform gegossene oder
spiralförmig lose aufgewickelte Bleiplatten in Töpfe frei
liIandel zu bringen, welche sich zwar durch billige Preise auszeichnen,
aber auch an Deckkraft weit hinter dem reinen Bleiweisse zuriickstehen.
Da das echte Bleiweiss selbst ein sehr hohes speeifisches Gewicht besitzt,
S0 kann man als Zusatz zu demselben nur einen solchen Körper ver-
wenden, der sich ebenfalls durch ein grosses Gewicht auszeichnet. Unter
allen billigen Farbstoffen, welche wir kennen, ist der Schwerspath der
einzige, welchem diese Eigenschaft zukommt. Es findet daher dieses
Mineral in ausgedehntem Masse Anwendung zur Darstellung
der billigeren Sorten des Bleiweisses, sowie zur Darstellung
der helleren Sorten von Chromgelb. Man kann den Zusatz von Schwerspath
Zll einer Farbe nur dann als eine absichtliche Täuschung des Consii-
menten betrachten, wenn man demselben eine Farbe als reines Bleiweiss,
Feines Chromgelb u. s. w. verkauft, während dieselbe in YVirklichkeit
aus einem Gemenge der betreffenden Farbe und Schwerspath besteht."
Gorup-Besanez sagt S. 476: "Das käufliche Bleiweiss ist meist
mit Schwerspath und Kreide vermischt."
Die Reihe solcher Citate licsse sich leicht vergrössern, doch dürfen
die gegebenen, zur Kennzeichnung der heutigen Geschäftslage wohl
genügen.
1) Zu beweisen, wie scheinbar unwesentliche Dinge, gerade auf
diesem, dem kunsttechnischen Gebiete von grösster Bedeutung werden,
sei mir gestattet, noch ein, wenn auch fernliegendes Beispiel anzufiihren.
Der Anonymus Bernensis verweist in seiner sehr beachtenswerthen
kleinen Schrift unter Anderem auf den Umstand, dass jenes aus dem
Eiweiss hergestellte Bindemittel, welches so leicht unbrauchbar wird,
doch zu erhalten ist, wenn man es nur in eine gereinigte Eierschale
äiesst. „In seinem, ihm von Natur gegebenen Behälter", sagt der Er-
wähnte, "bleibt es auch in seinem natürlichen Zustande." Hier wird es
nicht verderben, weder in der Hitze der Hundstage, noch bei Winter-
kältßf" Im Uebrigen sei aber des Weiteren auf Seite 390, Abschnitt 2
und Seite 392 von Zeile 4 ab u. f. besagter Schrift noch ganz besonders
VßYWiesen,
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