Volltext: Die Seele und das Kunstwerk

Die Entwickelung des Meisters liegt jedoch auch 
heute noch nicht in allen Wendungen klar vor uns. 
Es wäre sehr zu wünschen, dass die nötigen Vor- 
arbeiten erledigt würden, solange im Zweifelsfalle an 
Boecklin appelliert werden kann. 
Auf den drei Ausstellungen ist wohl zuerst die 
Aufmerksamkeit auf seine Jugendwerke gelenkt wor- 
den, die bisher, im Privatbesitz verborgen und 
wenigen bekannt, für die "Erkenntnis seines We- 
sens noch kaum benutzt werden konnten. 
Nun gehören aber bekanntlich die ersten Ver- 
suche des Genius, sich auszudrücken, in der Regel 
zu den allerwertvollsten Dokumenten über seine 
Eigenart. Ungefärbt durch fremde Einflüsse, pflegt 
in ihnen oft genug der reine Quell ans Licht zu 
dringen, der durch das fremde, im späteren Studien- 
gange angehäufte Material, zuweilen auf Jahrzehnte 
verschüttet oder doch stark getrübt wird. Wenn 
erst die intimere Entwickelung der Genies und 
Talente des neunzehnten Jahrhunderts unter diesem 
Gesichtswinkel eingehender erforscht ist, werden 
manche Beispiele bekannt werden, wie wir sie von 
Hermann Kauffmann kennen, der als vierzehnjähriger 
Knabe in den vEisiischern auf der Alstera alles 
das kindlich und unbeholfen, aber in allem wesent- 
lichen so deutlich und unverkennbar ausgesprochen 
hatte, was er später als reifer Künstler, nach Über- 
windung akademischer EinHüsse als sein Eigenstes 
selber empfand; es werden sich Beispiele häufen, 
wie die Entwickelung der Hamburger Nazarener,
	        
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