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schränkt, weil wir ihm zu nahe stehen. Wir wissen,
was er uns ist; wie die Revision unserer Urteile
durch kommende Geschlechter ausfallen wird, ver-
mögen wir nicht zu erspähen.
Es wäre eine dankenswerte Arbeit, die nach
der guten und nach der bösen Seite charakte-
ristischsten Urteile über Boecklin chronologisch zu-
sammenzustellen. Wir würden darin ein vielfach ver-
zerrtes Spiegelbild des Meisters erkennen, das uns
über ihn selbst freilich nichts Neues sagen würde,
denn im besten Falle ist dies Spiegelbild, das jede
Seele in einer eigenartigen Färbung giebt, nur eben
annähernd richtig. Aber es gäbe für das Individuum
ein wichtiges Material zur Selbstkritik, womit ja alle
Kritik in der Welt anfangen sollte.
In dieser Studie über die Beurteiler Boecklins
würde
Cf
selber
fehlen.
Von
anderen Grossen
wie
Goethe und Wagner, wissen wir durch zufällige
oder beabsichtigte Äusserungen, was sie von sich
halten, wie sie beurteilt sein möchten. Von Boeck-
lin nicht.
Wer das Glück gehabt hat, seiner Mitteilung
zuzuhören, wird mit Staunen die Tiefe und Schlag-
fertigkeit seines Urteils empfunden haben. Ich
erinnere mich, dass wir eines Abends, als wir
jüngeren und ]üngsten in seiner Gegenwart eine
heftige Debatte über das Problem der farbigen