Volltext: Die Seele und das Kunstwerk

Das waren die Holländer im siebzehnten jahr- 
hundert, die sich von Rembrandt, Hals, dem delft- 
sehen van der Meer abwandten und ihre Gunst auf 
das Haupt geringerer Geister schütteten, die das 
Mass der Menge nicht so unbequem überragten. Die 
Dinge lagen damals ähnlich wie heute. 
Wir müssen uns immer wieder erinnern, dass 
mit der französischen Revolution in ganz Europa 
die Existenz der Fürsten und der Aristokratie, die 
bis dahin die Kultur getragen hatten, auf eine neue 
Basis gestellt war. Sie schufen und trugen keine 
neue Kultur mehr und verloren deshalb die, die sie 
besassen. Das ist ein gesetzmässiger Vorgang. Nach 
einer Generation unterschieden sie sich nur noch 
durch einige Äusserlichkeiten von dem Bürgerstande, 
der nun obenauf war. Überall stiegen die unteren 
Schichten empor. Das Mittel zu ihrer Erhebung 
aber war die Intelligenz, der Verstand; und oft ge- 
nug  wenn nicht in der Regel  eine starke, 
aber einseitige und beschränkte Intelligenz. Kultur 
brachten sie nicht rnit und konnten sie so schnell 
nicht 
erwerb en 
wie 
ihr 
Wissen. 
Kultur 
ist 
eine 
Pilanze, die langsam wächst und zarter Pflege bedarf. 
Wie stand in dieser neuen Welt, in der die 
Intelligenz Herrscherin war, die Kunst da? 
Der erste Genius, in dessen Entwickelung dieser 
neue Zustand eingriff, war ein Hamburger, Philipp 
Otto Runge. Als er im ersten Jahrzehnt unseres Jahr- 
hunderts seinen Cyklus der Tageszeiten entworfen 
hatte, der das Programm der ganzen Kunst des Jahr-
	        
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