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Winterhalter ,
Franz
Xavier.
solcher Zierlichkeit zeigte. Der Deputirte Paturle kaufte diese;
Bild um 10,000 Fr. Gleiche Bewunderung, wie der Decamerone,
ßrudtc 1857 auch ein kleines Gemäldegvon lä Quadratfuss, welches
eine junge Ncapolitanerin unter der Yveinlaube am flrunneii vor-
stellt, wie sie dem Gesange eines Mannes zuhört. Ein Berichtge-
bei- im liunstblatt 1337 sagt, man könne sich nichts Gfüzltiäeres,
Entzückeiiilercs vorstellen, als diese Gruppe, und das Bild 531
eben so viel werth, als wie eines von L. Robert. Es habe Zwar
nicht die erhabene Stimmung desselben, aber mehr LßlCiltigl-igit,
Grazie und Aninuth. Dieses meisterhafte Bild ist in der Staffel-d-
_Galleric zu London. An diese Werke reiht sich ein Gemälde vun
zauberischer Farbenglutli, welches zwei Minder in landschaftlicher
Umgebung vorstellt. Die Figuren sind Portrait, das Ganze trägt
aber den Charakter eines Genrebildes von reinstem WVasser. 1m
Jahre 1858 sah man von Winterhalter das Bild eines Mädchens
aus Ariccia mit dein Tamburin, welches bei voller Mittagssonne
dasitzt. Das kunstliebende französische Publikum fand dieses Ge.
miilde, so wie überhaupt die Werke Winterhalterk, besunder,
schön, ein deutscher Bericlitgeber im Iiunstblatt des genannten
Jahres eröffnete aber damit einen wahren Feldzug gegen den Künst-
ler. Er findet die Tambuijiispielerin in ihrem schillernden Ge_
wunde zwar graziüs, und das Gefühl allerliebst, aber den Kopf
so übertrieben durchsichtig, dass dieser inwendig beleuchtet Scheine
wie eine Laterne (mit einem allerliebsten Gesichtet). Der Ein-
druck, den hier die Kunst macht, ist nach seiner Ansicht der des
Staunens, welches noch vermehrt werde, wenn wir_dem Bilde nahe
treten, um es auf die angewandten lYlittel und seine Behandlung
anzusehen. Confus und skizzenhaft fand er jetzt diebnuschigen
Wallungen des Kleides hiiigeworfen, und es wurde ihm schwer,
die leichten Pinselstriclie für etwas Anderes als ein Werk des Zlb
falls zu halten. Drei Schritte rückwärts aber erscheint alles daß
stcllungsvoll und berechnet, und der Critikeri nennt das Bild wie.
der allerlicbst. Der kleine, trefflich beschuhte Fuss schien ihm
ganz novellenartig geistreich unter dem ltöcltchen hervorzuguchen,
und der kunstrichterliche (Zorn hatte sich gelegt. Wir machen
hier auf diese Erscheinung um so mehr. aufmerksam, weil daraus
auf eine Aenderung der Manier des Künstlers zu schliessen ist.
indem früher die Reinheit und _Bestimintheit der Zeichnung mit
einer sorgfältigen Behandlung sich paarte. Nach der Behauptung
des Referenten E. C., welcher im Tubinger Hunstblatte mehrere
Jahre über die Kunst in Paris berichtete, wäre dem LYIeister VVin-
terhalter von 1858 ab das Streben nach grüsst moglichster Vvn,
kung und Erfassung des Materiellen das Erste gewesen, und er
soll einzelne Theile absichtlich preisgegeben haben, uin dafür in
anderen einedesto grüssere Plastik zu erzielen. "Von dieser Zeit
an sind aber die eigentlichen Geiirebilder des Hunstlers gezählt,
da die Portraitmalerei seine Tdiiitiglaeit in Anspruch nahm.
Doch auch der berühmte Purtraitmaler Winterhalter ist auf
der einen Seite die Zielscheibe des Tadels, auf der anderen de,
Gegenstand hohen Lobes. Auf dieser Seite steht das französische
Publikum, auf jener die hritisirende Lnndmannschaft des (lcut.
Sehen Malern, welcher zum Franzosen geworden war. Der ge.
nannte Referent im Iiunstblatt 1858 S: 250. will der lobspendgn,
den französischen Critik gegenüber den Bildnissen Winterhalterg
nur in Bezug auf geschmackvolles Arrangement und seltene Vo1_
lendnng einzelner Toilettenstücke Lob angedeihen lassen, übrigens
aber scheint ihm der Maler des Decamerone in alfehtirte Grazie