XVilkie 5
David.
451
Williie, da der Iiiinstler in diesen Jahren Venedig, Rom und
llrladriil besucht hatte. Jetzt tritt aber ein Wendepunkt in der
(Er-schichte des Meisters ein. Bis dahin galt er als der Schöpfer
einer neuen Schule, welche man die anglo- flaniiiiidische" nennen
will, so wie Williie selbst oft der englische Teniers genannt wurde,
was er ini eigentlichen Sinne nie gewesen ist, sondern der llllzilcr
der englischen und schottischen Idationalsitte, wozu ilin die Na-
tur, nicht die Nachahmung (liiiuischer liuust gemacht hatte. lVil-
lsids liiinstclinral-iter bezeichnet Dr. Waagen li. u. RLZSÖ Wohl
ani schärfsten, da er Gelegenheit hatte. viele Werke von ihm zu
sehen. Nach Waagen ist er in seinem Fache nicht allein der erste
Maler unserer Zeit, sondern mit Llogarth der geistreichste und
eigentliiinilichste Aleistcr der ganzen englischenSchule. tVilhie
schliesst sich in den wesentlichsten Stücken der Iiunstweisc des
I-logarth an. Er hat mit ihiu die grosse Mannigfaltigkeit, Feinheit
und-Schärfe der Beobachtung des Charahterischcn in der Natur
gemein, in vielen seiner Bilder auch das vorwaltend Dramatische
des liilinlts. Doch ist er auch wieder in vielen Beziehungen von
jenem verschieden. Er führt uns nicht in ganzen ÜFolgcJi von
Bildern moralische Dramen auf, wie Hogarth, sondern begnügt
sich mehr novellenartig mit der Vorstellung einer besonders an-
sprechenden Seene. Auch weicht seine Geistesart von jenem sehr
ab. VVenii VVaagen den Hogarth in seiner schneidenden Satyre,
worin er die Menschen nur von der Schattenseite aullasst, und
sich besonders darin gefällt, sie im Zustande der tiefsten Ver-
vvorfenheit, des grässlichsten Elends darzustellen, mit. Swift: ver-
gleichen möchte. so lindet cr in Wlilliie eine nahe Geistesver-
wandtschaft mit Walter Scott. Beide haben jene wahre, fciiie,_
bis in das Einzcliistc gehende Zeichnung der Charaktere gemein.
In den Seelen beider wohnt mehr die Liebe als die Verachtung
der hienscheii, beide lassen uns die wohlthuenclsten Blicke in das
stille gemiitlivolle Gliich tliun, was oft ein enges häusliches Le-
ben einschiliesst, und verstehen es meisterlich, durch die Bcimi-
schung feiner Zilige eines gutiniithigen Humors den Reiz. solcher
Scencn nur noch zu erhoheu, und wenn sie uns auch, wie es
Dichter mit VVorten und Farben verstehen müssen, den Men-
schen in seinen mannigfaltigen Schwächen. Verirrungen, Schmer-
zen und Niithen zeigen, so ist doch auch hier ihr Humor von
der Art, dass er unser Gefiihl nicht empört. Besonders rechnet
es Waagen dem Willtie hoch an, dass er selbst in solchen Dar!
stellungen, wie in seiner Auspfiindung für schuldige Pacht, nicht
in die Carrihatur verfällt, wie cliess dem lilogarth öfter begegnet
ist, sondern sich bei aller Energie in den Schranken der VVahr-
heit halt. Das Erschiitternde und ltiihrenrle dieses Bildes soll bei
dessen Erscheinen in England einen tiefen Eindruck gemacht ha-
bcii. Eine Seite seiner Bilder lernt man aber erst in England recht
schätzen, nämlich das echt Nationelle. Sie sind in allen Uieileu
Ädie geistreiclisten, lebendigsten Darstellungenfles Lebens der
Engländer. In manchen anderen Ituclisichten erinnert Wilhie an
die grosscn holländischen Genreinaler des IY-Jahrhunderts; so in
.dcr Wahl mancher Gegenstände, z. B. des Blindckuhspieles, be-
sonders aber in der feinen und gründlichen Durclibildung des
Einzelnen, worin er unter seinen Landsleuten zu den seltenen
Ausnahmen gehört. Geht er auch hierin nicht so weit, wie ein
G. Dow oder F. llVlieris, so steht er doch mit den fleissigeren Bil-
dern des Teniers und J. Steen ungefähr auf einer Stufe. Auch
kommt seine Tusche jenen öfter an Geist und Freiheit nahe,
29 q"