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WVest ,
Benjamin.
sition, Zeichnung, Schönheit, Draperie, Beleuchtung - und theil-
"weise mit grosseiii Geschicke beobachtet worden sind, fiihlt man
doch, dass ein aus einer kalten Reflexion hervorgegangenes Ag.
gregat aller dieser Eigenschaften von einem Kunstwerke nur das
caput mortuum hervorbringtkdass die eigentlicliste Seele eines
Kunstwerkes aber ein von dem Gegeristande begeistertes, von Nzi.
turanschauungen genährtes Gefühl des Künstlers ist, wodurch erst
alle jene Eigenschaften belebt werden niiissen, damit das Ganze
erwärmend und erquickeiid auf den Beschauer einwirken kann.
D065 dmkßn nicht alle Engländer, wie der berühmte Kunst-
richter _Dr. Waagen. Viele erkennen in den von ihm arm meisten
lgletadclten grussen Bildern des Abendniahls und der Heilung des
ahmen in der National-Gallerie wahre Muster biblischer Vorstel-
lungen, und man sieht zahlreiche Bewunderer vor diesen Geiniil.
den, was Waagen (1837) zu der Ueberzeugung führte, das; es mir
dem Sinn für l-listorienmalerei auch bei der grossen Masse der so-
genannten gebildeten Stände in England noch nicht besonders be-
stellt ist. Auf Waagen machten nämlich die erwähnten grossen
Gemälde einen verletzenden Eindruck. Die allgemeinen und un-
bedeutenden Charaktere der Köpfe zeugen nach seiner Behaup-
tung von einer beklageriswerthcn Armuth an Naturanschauungen,
der Ausdruck ist geziert oder lahm, die Bewegung theatralisch oder
nichts sagend, der Ton des Fleisches zie elartig und kalt, die Far-
ben sind schwer und undurchsichtig, der Gesamiiitcindruck bunt
und zerstreut. Dieser Massstab der Critik wird an viele Werke
des gefeierten West zu legen suyn, doch finden sich aber auch
Bilder von ihm, welchen selbst der strenge Richter Gerechtigkeit
widerfahren lassen muss.- Darunter scheinen seine früheren YVcrke
zu gehören, in denen der Eindruck, welchen die Antike und die
klassischen Erzeugnisse der italienischen Schule auf ihn machten,
unverkennbar ist. In den bessten Werken des Meisters ist die
Composition deutlich, und der Ton klar und harmonisch. wenn
auch nie von grosser Wärme. Der Tadel, dass seine Bilder häufig
kalt lassen, ist indessen nicht von neuem Datum, sondern wurde
schon früher, auch zu Lebzeiten des Künstlers vernommen. Dncli
wusste man den Meister auch wieder zu entschuldigen. Die phleg-
matische Ruhe und die Mässigung des Ausdruckes in vielen seiner
Gemälde wurde als Ausfluss der Würde und des keuschen Sinnes
betrachtet, von welchen sich West weder im Leben, noch in sei-
nen Darstellungen trennte. Jedenfalls war dann das Gefühl für
die göttliche VViirde und Erhabenheit des WclterlÖ-"BPS Zll nüch-
tern ; denn der Heiland auf dem Abendmahl und dem Bilde der
Lahmen ist selbst für einen stoischen Quäcker zu dürftig.
West verheirathete sich 1764 zu London mit Miss Shewil],
einer Amerikanerin. Im folgenden'.lahre wurde er zu einem der
Vorsteher der liunstgesellschaft gewählt. Welche drei Jahre später
der k. Akademie einverleibt wurde, anderen Einrichtung er gros-
Ien Antheil hatte. Um diese Zeit würdigte ihn auch der liünig
besonderer Aufmerksamkeit, da ihm dcr liiinstler durch den Erz-
bischof von York vorgestellt wurde. Der dieser Gelegenheit gab
ihm der König den Auftrag, das Bild des Rcgulus zu malen, das
erste, welches VVeat bei Eröffnung der k. Akademie 1769 zur Aus-
stellung brachte. Seit dieser Zeit war keine Ausstellung, die nicht
irgend ein geriilimtes Werk seines Geistes aufzuweisen hatte. Doch
war das Gemälde mit dem Abschiede des liegulus nicht im Allge-
meinen das erste Bild, welches er in London zur Schau brachte.
Atlssel" einem Bilde von Angelica und Medoro (1764), und des