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Villa 9
Leonardo
men, und nicht allein M. A. della Tori-e deren besass. Dann er.
beitete der Künstler 1496 mit seinem Freunde Luca Paciolo del
Burgu San Sepolcru ein Werk über die meiidchliche Proportion
und über Perspektive aus, in welchem zugleich die geometrischen
Gesetze abgehandelt sind. Dieses Werk di 'nte wohl ebenfalls zum
Unterricht in der Schule, obgleich Paeiolo die Autorschaft in An-
spruch nahm, da er die Handschrift dein Herzoge Ludovico il
Moro dcdicirt hatte. Leonardo fertigte 60 Zeichnungen dnzu. wel-
che in Farben ausgemacht sind. Die Originallianilschrift mit den
genannten Zeichnungen kam durch den Grafen Arconati an die
Ambrosiana zu Mailand. Der Gonfaßniere Pieru Soderini erhielt
eine Copie, und eine zweite Copie besass Galeazzo Saiiseverino,
welche sich jetzt auf der Stadtbibliothek in Genf befinden soll.
Im Jahre 1509 wurde das Werk zum allgemeinen Gebrauche ge-
druckt, und mit Hulzschnitten versehen. Das Nähere dariiber ist
in unserem Abschnitte über die Zrichnungen und lYlanuscripte des
Meisters zu lesen. Durch diese Hiilfsinittel sahen sich die Zög-
linge der Akademie in den Stand gesetzt,_Studien zu machen, wie
sie in den früheren Schulen ungewohnlich waren, und da dm.
lebendige Unterricht des Meisters die Talente entllammte, so wsni
durch die wissenschaftlichen Studien der Anatomie und der Linien-
Perspektive der Malerei der Weg angebahnt, auf welchem sie zur
höchsten Ausbildung gelangen konnte. Leonardo zog alles in sei.
nen lireis, was den Maler fördern konnte, und "ihm das weiteste
Feld eröffnete. Namentlich war es auch die Architektur, welche
nach der gewonnenen perspektivischen Darstellung den Gemälden
Abwechslung bot. Auch das Studium der thierischen Natur wurde
in seiner Schule gepflegt. Der Meister selbst befasste sich mit Yup-
liebe mit der Darstellung von Pferden, und schrieb eine Abhand.
hing über die Anatomie dieser Thiere, die er mit anatomischen
Zeichnungen versah, und seinem jungen Freunde Francesco lYIel-zi
widmete. Diese Zeichnungen sind verloren gegangen, nach Lo.
mazzo zur Zeit derÜEroberung von Mailand unter Ludwig X11,
von Frankreich. Zu jener Zeit scheint der Hiinstlcr auch Oppo-
sition erlebt zu haben, denn er schrieb 1495 eine jetzt nicht nlehp
vorhandene Abhandlung über den Vorzug der Seulptur oder der
Malerei. Ein Pamphlet uber die menschlichen Bewegungen dürfte
ebenfalls gegen irgend einen Angril? gerichtet gewesenseyn. Ge-
gen das Jahr 1496 vollendete er seinen '_l'raktat uber die Malerei,
welcher sowohl zum Gebrauche seiner Mitlehrer, als seiner Sehiilei-
diente, und jetzt noch eine vortreffliche Schule für jeden lYlalcr ist,
Zur Zeit Leonardds, und noch lauge ilarnacli, war diese Abhanil.
lung nur in Abschriften vorhanden. seit 165i ist sie aber iui Drii-
'cke bekannt. Ueber die verschiedenen Ausgaben werden wir Wei-
Ißr unten handeln, wenn von seinen Manusci-iptcn undZeichnun-
gen die Rede ist. Als praktischer Lehrer in der Malerei scheint
eunardo nicht auf jener Höhe gestandeir zu haben, wie in den
übrigen 'l'heilen der Kunst; doch konnte seine Anleitung von höeli-
stem Nutzen seyn. Mit dem Pinsel mochte er sich in dcr Schule
am wenigsten beschäftiget haben, da er gleich Veroccliiu lieber ge.
zeichnet, als gemalt hatte. Dagegen hatte er Schiller und Gehul-
fen zur Seite, welche in der Technik der Malerei weit sicherer
waren. Leonardo ging beiseinen Gemälden äusserst schüchtern
zu Werke, und fing fast zu zittern an, wenn er sich an die Staf-
felei setzte. wie Loinazzo behauptet. Er war auch mit seinen wer-
hen nie zufrieden, und sah immer Gebrechen, während andere
seine Bilder als VVunderwex-lae anstauntem, und er selbst sie für
unvollendet hielt. Bei dieser Gesinnung huniite er sich iii der