Volltext: Torre, G. - Veiss, R. (Bd. 19)

sehr glimpflich. Der Bildhauer Baecio Bandinelli erfuhr seinen 
derben Spott. Dieser Meister rühmte sich, in seiner Copie des 
Laokoon das Original verbessert zu haben. Tizian zeichnete ihm 
zum Spotte Affen in der Stellung der Gruppe des Laokoon, und 
liess diese Darstellung in Holz schneiden. War Tizian bei der 
Beurtheilixng von Werken fremder Iiiiustler gnädig, so zu er das 
Maass nach seiner eigenen Kunst und behauptete, das älild sei 
so, als wenn er es selbst gemalt hätte. Es galt immer nur Ti- 
zian, und nur in seltenem Falle konnte ein anderer Meister auf 
selbstständige Anerkennung rechnen, wie Correggio in Parma, 
wenn es wahr ist, veas man erzählt. Mit Palma veechio stand er 
auf vertraulichem Fusse, und er nahm sich nach dessen Tod der 
Tochter an, welche ihn zu mehreren schönen Bildern begeisterte. 
Violanta Palma erscheint als Lavinia, als Trägerin von Blumen- 
kiirbeheu und Schmuckkästchen, als Tochter der Herodias und 
als Göttin. Bilder dieser Art findet man in den Museen zu 
Berlin, Madrid, St. Petersburg, in der Sammlung Coesvelt zu 
London u. s. w. Sie ist xwahrscheinlich meistens darunter zu ver- 
stehen, wenn von einer Tochter Tizialfs gemeldet wird, da die 
eigentliche Tochter des Meisters, Curnelia mit Namen, sich friih 
mit einem Gornelius Sarcinello verheirathete, und nur selten zum 
Modelle gedient haben dürfte. Odersehwvehte ihm auch die schöne 
Irene di Spilimbergo vor, seine Schülerin, die friiltvcrstorbene 
Dame aus einem Hause in Udine, welchem der Künstler zeitlebens 
befreundet blieb? Tizian hatte das Bildniss dieses liebenswürdi- 
gen Mädchens gemalt, wahrscheinlich 1559, kurz vor ihrem Tode. 
Die Sage hat das reizende Bild jener Lavinia oder Violanta zur 
Geliebten Tizian's gestempelt, und dem Greise den Mackel einer 
fast ärgerlichen Liebschaft aufdrücken wollen, da auf einigen an- 
deren Bildern der alte Mann um die Liebe der Schönen zu buh- 
len scheint. Das Original so vieler Bilder, welche 'I'izian und 
seine Geliebte vorstellen sollen, ist im Louvre. Allein der Kopf 
des Mannes gleicht nicht jenem Tizian's. Zur Zeit, als dieses 
Bild entstand, war der Meister noch nicht alt, da der helle, klare 
Goldton des schönen Mädchens für die frühere Epoche spricht, und 
der Einfluss des Giorgione noch deutlich hervortritt. Zu 'I'izian's 
Freunden gehörten auch G. M. VertiizotthPietro Aretino und JRCOPO 
Sansovino. Letztereryerewigte diese Freundschaft durch eine herr- 
liche Gruppe an der berühmten Bronzethiire von S. Marco "in 
Venedig. Auch mitauswärtigen Gelehrten stand er in Verbindung. 
Pietro llembo, Ariosto, Paul Jovius, Bernardo Tasse, B. Davila, 
S1 Speroni, il Fracastoro, Urbano und Valeriano Bolziano u. s. 
w. waren Freunde und Verehrer Tizianß. Dass er sich selbst in 
der Dichtkunst versucht habe, ist wahrscheinlich irrisge Behaup- 
tung. In den Rime di diversi in morte d'lrena di pililnbergo. 
Venezia 1561, werden ihm drei lateinische Epigralnlne zugeschrie- 
ben, was schon Aposteln Zeno widerspricht. In den Epistolae 
des Jacobo di Porzia I. 50. sind andere lateinische Gedichte, au- 
geblich von Tizian, worunter der jüngere Tiziano Vecelliu zu 
verstehen ist. Nur Briefe sind von unserm liiitistler vorhanden. 
XVie Eingangs erwähnt, sind deren in Gaye's Carteggio inedito 
in Northcotds Leben des Künstlers, in den Lettcre pittoriche I.' 
221, II. 19, 22, 579, III. 128. V. 57. u. s. w. abgedruckt. 
Tizian stand in der letzten Zeit seines Lebens allein da. Alle 
seine Freunde waren hinüber gegangen. da 01' ein ungewöhnlich 
lmhc, Alge;- erroicltte. In diesen Tagen war nur sein Sohn Orazio 
um ihn, und Marcu Veeellio, welchen er ebenfalls wie seinen
	        
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