Volltext: Torre, G. - Veiss, R. (Bd. 19)

Vecellio . 
Tiziano. 
mäss sehr häuüg aus der antiken Mythe selbst entnommen. A], 
vorzügliche Beispiele solcher Art sind die sogenannten drei Le- 
hensaller in der Bridgewatcr-Gallerie zu London, die himmlischg 
und irdische Liebe in der Gallerie Borghese zu Rom, das grosse 
Bacchanal im Museum zu Madrid, Venus und Adonis ebendaselbst, 
Bacchus und Ariadne in der National-Gallerie zu London, zwei Bilde;- 
des Dianenbades, Calisto und Aktäon, in der Bridgcvvntcr-Gnlleric 
daselbst u. s. w. zu nennen. Auch gehört hieher eine Reihe von 
Bildern, in denen Tizian, ohne die Entwicklung einer bßäthlllilßrcn 
Handlung, nur die einfache Schönheit des nackten weiblichen 
Iiörpers zum Gegenstande seiner Darstellung genommen hat; "den 
gleichen, zumeist als Venus, Danae etc. benannt, kommen mehrfach 
vor, wie in der Tribune zu Florenz, in Neapel etc. Auch die kifßh- 
liehen Bilder Tiziaifs spiegeln grossentheils jene hohe, der An- 
tike verwandte Ruhe des Daseins wieder; so verschiedene griissm-c 
Altartafeln der Madonna mit Heiligen und mit Aubctentlcn in 
den venetianischen Iiirchen und Gallerien, im Vatikan, in der Galle- 
ric zu Dresden etc., und noch deutlicher die sogenannten heiligen 
Conversationcn, mit halben Figuren. S0 auch einzelne VVOFke 
welche ein mehr feierlich erregtes Gefühl zum Ausdrucke bringen , 
wie namentlich das grossartige Bild der Llimmelfalirt lVlari-ä h; 
der Akademie zu Venedig. Wie bedeutsam aber Tizian, von sol- 
cher Audnssungsweise aus, zugleich die tiefste Erschütterung des Scß 
lenlebens zum Ausdrucke zubringen vermochte, bezeugt vornehmlich 
seine Grablcgung in der Gallerie Manfrin zu Venedig, und die 
Wiederholung im Louvre. Auch in Bildnissen ist Tizian höchst 
ausgezeichnet. Ja er ist ohne Zweifel der grösste Portraitmaler, 
welchen Italien hervorgebracht hat. Er verbindet mit dem leben- 
vollen Natursinnc, der ihm eigen ist, mit seinem zauberisch wir, 
kenden Colorit eine eigenthiimliche grnssartigc Auffassung, welche 
dem in Form und Farbe hiichst ähnlichen Skliegclbildc des Lc_ 
bens den Anschein eines erhöhten Daseyns gibt. Wcrlse solcher- 
Art findet man in allen bedeutenden Sammlungen. Eigenthiimlich 
interessant ist unter andern das Bildniss seiner Tochter Lavinia 
das mehrmals vorhanden ist, wie sie eine Schüssel mit Früchte]; 
oder anderen Gegenständen emporhebt (Museum zu Berlin), oder 
zur Tochter der Heroclias geworden (Museum zu Madrid). Dem 
genannten Naturalismus gemiiss tritt in manchen Gemälden Tizianäs 
auch die Landschaft bedeutsam hervor, welche sich bei ihm nicht 
minder in einer grossartigen poetischen Durchbildung zeigt. Die- 
scr Theil der bidliehen Darstellung spielt unter den Italienern 
die Rolle der Niederländer, unterscheidet sich aber von den Bildern 
der letzteren durch eine gewisse Vereinfachung der Naturformen , 
wie durch eine gesättigten: Harmonie wieder bestimmt. Er war 
auch ausgezeichnet in Darstellung der unbelebten Natur, auf 
welche vor ihm kein Italiener ein so aufmerksames Studium vor- 
wandt hatte. Nach Vasari nahm der Künstler zum Unterricht in 
diesen Gegenständen deutsche und niederländische Maler in seine 
Wohnun auf. 
Eineähronologische Darstellung seiner Werke ist mit grosscn 
Schwierigkeiten verbunden, und nicht dnrchhin möglich. Seine 
erste Kunstfahrt unternahm Tizian nach Padua, wo er mit andern 
Meistern im Santo malte, und entschiedenen Beifall erwarb. Nach 
seiner Rückkehr vollendete er mehrere Gemälde des Giorgionc, 
darunter das Bild, welches Kaiser Friedrich 1. zu den Fiissen des 
Papstes Alexander III. darstellt. Im Jahre 1514 berief ihn Alfonsol. 
nach Ferrara, zunächst um die von Gio. Bellini begonnenen Go- 
iniildc zu vollenden. Dann malte er für den Herzog das berühmte
	        
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