Tiarini ,
Alesszandro.
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lcs ist mit Ernst und Maass berechnet, und in grossartigem Style
gehalten. Er ergriff gerne Gegenstände, die das Gemiith tief be-
wegen, und selbst da, wo er weniger nach dem 'l'ragisehexx und
Pathetischen strebte, ist der Hauch der Schwermuth über seine
Bilder ausgegossen. Die Magdalena und Petrus in Schmerz und
lleue, und besonders die Leidcnsmutter führte cr oft in Gemäl-
den vor, die nie ihren Eindruck verfehlen. Das Leiden der lVIa-
donna entlockte einmal dem Herzog von Mantua 'I'hränen. Es
enthalten aber die meisten seiner Gemälde tragische Gegenstände,
"die aber nicht den Jammer und die Wlerzwveillung zur Schau tra-
gen, nie das Maass der Schickliclilieit überschreiten, und daher
die Seele nur zur 'I'heilnahnie und zum Mitleid stimmen, statt sie
illtllläcllfcclicn und mit Abscheu zu erfüllen. Seine Werke fan-
den indessen nur bei liennern und Iiünstlern gerechte Bewun-
derung, weniger beim kunstliebenrlen Pilblicurn, welches seine
wahren Verdienste nicht in ihrem Umfange herausfand. Seine
liilder bestechen nicht durch Schönheit der Form, indem seine
Richtung nicht auf das Ideale ging, und ihm die Grazie sich nicht
oFfcilban-te. Er verschmiihte auch den Reiz der Färbung, erreichte
aber durch seine dunklen Schatten und durch sein starkes Im-
lHLilO eine grosse Wirkung. Fiorillo II. 615 glaubt, dass seine
Gemälde sehr nachgedunkelt haben, und erklärt diess aus der Mal-
weise des Künstlers, welcher die Tinten nicht auf der Palette be-
reitete, sondern die Farben unmittelbar auf dem Gemälde verrieb.
Die Draperie unter-malte er mit einer ins Grauliche fallenden Farbe,
und lasirtc dann darüber hin. Diesen Lasuren gibt Fiorillo na-
mentlich die Schuld des Nachdunkelxis. Als Colorist fand indes-
sen Tiarini schon Anfangs kein unbedingtes Lob, weil er sich,
wie Lnnzi V. 15g bemerkt, nie einer frischen und lebhaften Fär-
bung befliess; der genannte Schriftsteller meint aber, seine ins
Violette, Gelbliche, Bräunliche, mit wenig Rosenroth gemilderte
Farbe, sein schönes lxnpasto und die milde Harmonie, welche er
über seine Bilder verbreitete, müsse wohl dem Auge die ange-
nehmste Ruhe bereitet haben. Er zählt den Tiarini zu den Glanz-
Punklcn der Carraceischen Schule. Auch seine Zeitgenossen wuss-
ten die Stelle zu bezeichnen, welche er in derselben einnahm, in-
dem sie ihn den Ausdruchsvollezi, il patetico, nannten. Er bil-
dclu ebenfalls Schiller und eriiflilete eine Akademie, worin nach
dem Nackten gezeichnet wurde. Diese Akademie wurde von vie-
len besucht. da er den Schiilcrn liebrciehe Hand leistete. Lnca
Barbieri und Francesco Carboni werden vor allen genannt. Zum
Modell hatte er einen Lastträger. Namens Valstargo, der sich
durch einen musterhalten Körperbau auszeicbncte.
Die Werke dieses Künstlers sind zahlreich, sowohl in liir-
chen als in Sammlungen. Berühmt ist sein rosses Gemälde in
S. Domenict) zu Bologna, welches den Heäigen vorstellt, wie
er in Gegenwart einer Menge von Zuschauern ein todtes Kind
erweckt. Vor diesem Bilde stand selbst Lud. Carracci erstaunt,
und dieser Meister behauptete, keiner der damaligen Künstler
hätte diesen Gegenstand besser dargesellt. Tiarini bot aber in die-
sem Gemälde alles auf, da er Spada zum Nebenbuhler hatte, wel-
cher gegenüber die Verbrennung der ketzerischen Bücher malte.
Tiilflllfä Bild verdient auch in der Färbung hohes Lob, und er
vermied hier jede gemeine Form. Hütte der l'i.iinstlei' immer mit
solcher Sorgfalt componirt und gemalt, so würde ihm kein Bolo-
gneser gleich zu setzen seyn. In S. Bernardo zu Bologna ist eben-
lnlls ein Gemiiltlt: von ihm, welches die Itlrwecltnxig eines Eint-leg.
tot-stellt, aber ganz. verschieden von dem obigen Bilde. Lanzi