Volltext: Surugue, P. L. - Torre, G. (Bd. 18)

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Thorwaldsen , 
Bevtcl. 
denc. Das eine bewegt sich innerhalb der Grenzen der antiken 
liunst, und es ist das Geistige verkörpert, während in dem chi-ist- 
liehen Kunstwerke das Körperliche vergeistiget ist. In der Gestalt 
Alexander's ist der Charakter des ganzen Triuinphzuges gleichsam 
concentrirt; alles Ideale, was den Ebrnien der menschlichen Na- 
tur zum Grunde liegt, hat in ihni seinen Iiörpcr und Ausdruck 
gefunden. Er rcpräsentirt im Vergleich mit den Völlierßühaften, 
die er besiegt hat, die höhere Vernunft, Cultur und Schönheit, 
und darunter fiihlt auch der Beschauer das diesen Entsprechende 
im eigenen Geiste in Bewegung gesetzt. Er feiert unter der Be- 
schauun gleichsam selbst den Triumph seiner eigener Vernunft, 
und fiihflä zugleich jede Forderung der idealen Schönheit zufrieden 
gestellt, und diess nicht bloss in Alexander's Person, sondern auch 
in den Nebenyersoncn. So aber ist es nicht in dem christlichen 
Kunstwerk. I-Iier ist es nicht mehr die menschliche Vernunft, oder 
der Schönheitssinn allein, die befriediget werden sollen, sondern 
auch das Gefühl, und für den Iiünstler tritt eine andere und hö- 
herc Rücksicht als die Schönheit auf, niinilich der Glaube. VVäili- 
rend das antike Kunstwerk als eine objektive, vollendete Schön- 
heitsform dasteht, die den begeistern kann, der dasselbe beschaut, 
dessen Geist zwar mit dem des menschlichen sich verschmelzen 
kann, aber nur in so ferne, als] die Vernunft die ewigen Gesetze 
der Schönheit in sich aufnimmt, während es selbst stets das liÖch- 
ste für den Betrachter bleiben muss; so erkennt dagegen das christ- 
liche Sculpturwcrk stets an, dass es nur clieneud, dass es eiuer_ 
höheren Rücksicht unterliegt, und nicht selbst das Höchste ist. 
Diese höhere Rücksicht ist der Glaube. Indein das Gefühl in B9- 
wcgung gesetzt und wir durch die Besehauung gerührt werden, 
indem der Geist iiberströiiit und mit ihm verschmilzt, muss zu- 
gleich in jenem Geiste etwas scyn, was unsern Glauben stärken 
und wohlthätig auf unser Herz hvirken kann; und dicss ist _uns 
gegeben, wenn das Kunstwerk nicht bloss das christliche Leiden 
darstellt, sondern auch den christlichen Sieg verhcrrlichct. Aber 
damit ein solcher Sieg unser Vertrauen stiii-icn, und den Geist; 
zur Gottheit erheben kann, erheischt der Glaube eben, dass das 
Bild nicht die Vcrsinnlichung des Geistigen, nicht die Gottheit, die 
in der menschlichen Form herabgcstiegen ist, ausdrucken soll, 
sondern den Menschen selbst in einem Augenblick, worin ein 
reiner Sieg über das irdische Leiden ihn zum Himmel erhoben 
hat, und worin er desshalb auch geeignet ist, die Seele des Im- 
schaucrs zu erheben. So ist es in dein nGang nach Golgalhau nicht 
die göttliche Natur Christi, welche in die irdische herabgezogen 
und in eine körperliche Gestalt eingekleidet werden muss, sondern 
es ist die irdische, die menschliche, die zur göttlichen erhoben 
werden soll. ÄDenn nur indem der Betrachter sich selbst in einer 
höheren, verklärten Gestalt wieder erkennt. erfiillt sich sein Herz 
mit Vertrauen und Glauben, und seine Seele erhält den Mutb, 
sich von der Erde empor zu schwingen. Der allgemeine Charakter 
des Kunstwerkes muss ein leidender bleiben, denn das verlangt 
der Stoff; aber der" Glaube fordert, dass es ein Sieg durch das 
Leiden werde. Und so hat Thorwaldsen es auch wirklich aufge- 
fasst, indem alle Nebenpersonen in diesem Basrelief nur dazu die- 
nen, die eine Hauptperson zu verherrlichen, und Christus selbst 
ist nicht sich unter dem Gewichte des Leidens beugend, sondern 
sich über dasselbe erhebend dargestellt. Diese schöne Dcduction 
lesen wir im Iiunstblatt 18.711 Nr. 55, aus dem DäniSChllll über- 
setzt, aus Molbechs wOiu Billcdhu gcr-lionstens og Q8115 _P0eS-i8. 
liopenh. 136i. Dann folgt die Beschreibung des Basreliels in drei
	        
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