Thorwnldsen ,
Bcrtel.
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Stampe auf einem mit vieler Kunst gesticktem, von goldenen Säu-
len gehaltenen Schirm der Königin überreichte, stellt die IIy-
gieia mit dersSchlange von Amor beliränzt dar. Dieser
(jott begeisterte ihn zu mehreren seiner schönsten Werke. l-Iier
xienxieu wir zuerst den Genius des neue n Jah rcs, der ihm
als Amor im lircise der zwölf Monate erschien. Er trägt den Blu-
menhranz des Frühlings am Arm. hält in der Rechten den Som-
merstrauss von Aehreu, in der Linken die herbstlichen Trauben,
und der XVinter hat ihm Schlittschuh angelegt. Zwei Basreliefs
gehören dem Mythus von Amor und Psyche an, die für Psyche
unglüchliclfe Entdeclaungsscelte, und Amor vorstellcnd, wie er sich
der Unxarmung der schlummernden Geliebten entzogen, und mit
liebevollem Blick zurücligewentlet scheidet. Dieses letztere Bild-
werh ist besonders schürt, und nicht weniger anmuthig ein ande-
res mit Amor und Psyche, in wvelchexxr ersterer als Iinahe schwe-
bend dargestellt ist.- Ueber Alles reizend ist aber ein Basrelief,
welches Amor und Hymen zeigt, wie letzterer seine Fackel an
jener des Amor entzündet. Zu einem Basrelief mit tanzenden Fau-
nen und Bacchantinnen gaben ihm andalusische Tänzer und Tan-
zcrinncn Anlass, die 1840 auf allen Bühnen Entzücken erregten-
Thorwaldsen festigte ihre Bewegungen unter Figuren aus dem
Iireise der Mythe. Selbst leichten Scenen des gewöhnlichen Le-
bens wusste Thorvvaldsen antikes Gepräge zu verleihen. Auf zweien
Reliefs erkennen wir den Künstler selbst und die Familie, der er
seit seiner Rückkehr nach Dänemark aufs innigste verwandt ge-
worden, die Familie von Stampe.
In der letzteren Zeit verliess Thorwaldsen erne die Welt
der alten Götter, um auf christlichem und biblischen: Gebiete
seine ldiiitigkeit zu zeigen, und so entstanden in Copenhagen auch
VVerlie dieser Art, welche zu den schönsten des Meisters gehören.
Diess ist unstreitig mit der Composition der Fall, welche R cb ecca
am B ru nn en vorstellt, eine lebendige Scene von hoher Amnuth.
Von kleineren Reliefs aus dem neuen Testamente gehören folgende
dieser Zeit an: Die Samariterin am Brunnen, Christus
und die Kindlein, Christus in Emaus. Im Grossen sind
diese Compositionen als Altarschmuck des Asylgebiiudes zu Neu-
miinster attsgeführt. Von ausgezeichneter Schönheit sind auch zwei
Basreliefs, welche über den beiden Armenkiisten in der Frauen-
lairche angebracht sind. Das eine derselben stellt einen Engel
mit einem armen Iinaben vor, und ist von solcher Lieblich-
licit, dass sich seit der Aufstellun am Gotteslaasten. die Beiträge
veizchufacht haben. Für ein Graimal in Lübeck modellirte er
einen ltniecn den Engel, welcher auch in Marmor ausgeführt
wurde. Vor dem Altare der Frauenkirchc ist der Taufengßl
von der Erfindung dieses Meisters, und eine Gestalt von grosser
Schönheit. Als Meisterwerke der christlichen Richtung sind aber
zwei grosse Basreliefs zu betrachten, wovon das eine den Einzug
Christi in Jerusalem (L. 24 Ellen, H. 2 Ellen), das andere
den Zug des Heilandes nach Golgotha darstellt. (L. 56 El-
len, H. 5 Ellen). Die VVahl der Gegenstände ist grandios und
classisch; die Idee, dass das Volk von Jerusalem den Herrn ein-
mal jubelnd empfängt, und das andere Mal kreuzigen lässt, ist in so
tragischer Tiefe und in solcher Hoheit nie zur Anschauung gekom-
meu, selbst nicht in liafaePs berühmter Kreuztragung. Der Gang
nach Golgatha ist Thorwvalrlserfs Ilauptwcrk der christlichen, so
wie der Alexandcrzug jenes der historischen Richtung ist. Beide
sind Qyischc Kunstwerke, durch eine fortlaufende Reihe von Bas-
rcliefs gebildet; die Natur derselben ist aber eine ganz verschic-