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Stothard ,
Thomas.
Stßthard, Thümas, Zeichner und Maler, geb. zu London 1755,
gehört zu den Geistern, die sich aus der Tiefe zum Rubine ßmpgp-
schwangen. Als Knabe von vierzehn Jahren kam er als Lehrling
in eine Cattundruckerei, und blieb auch nach dem Tode des Mei.
sters bei der Wittwe, welcher er allerlei Zeichnungen fertigte, die
sie auf dem Camine aufstellte, wo die Produkte des lalülllvttllßn
Lchrjiingen einem Beschauer der Fabrik so wohl gefielen, dass er
ihn einigen Buchhändlern empfahl, für welche er von nun an zahl-
zeiche Zeichnungen zu Vignetten und grösseren. Illustrationen lie.
ferte. Mit ihm beginnt die glänzende Epoche funpoetische Werke
mit Iiupfern, deren jetzt die englische Literatur eine grosse Menge
zählt. Stothard begann mit Geofiirey Chaucer, dem ersten Vater.
liindischen Dichter der Engländer, und dann kam Edmund Speiisei
an die Reihe, der ebenfalls zu den Altvätern der englischen Püesie
gehört. Bei der lllustration dieser Werke stand_ ihm der Geniu,
der Dichter zur Seite, und kein englischer Zeichnerdiat es bis
dahin vermacht, sich so vollkommen mit demselben zu lilßtlliälren.
wie Stotliard. Er ist pathetisch und huinoristisch bei Ghaucer, m-
mantisch und poetisch bei Spenser, und als er spater in gleich"
Weise die Werke Shakespeare's und des _Lord _Byron zur lllustm,
tion sich ausgewählt hatte, drang er mit gleicher hrait in den
Geist der Dichtung ein. Bei Byron steigt vielleicht seine Kunst
am höchsten, denn er ist mitihm leidenschaftlich, melancholisch, my.
ßleriÖs, tieffühlend in Schmerz und Freude. Seine Zeichnungen
belaufen sich auf 5000, und davon sind 5000 gestochen. In Hin-
nicht auf Strenge des Styls gehören sie zu den vorzuglichsten Lei-
stungen der englischen Schule. Wohl _kein englischer liunsilm.
hatte eine so reiche Erfindungsgabe, ein so bewegliches Talent
als dieser Meister. Ueber seine frühen Versuche in der Litho-
gmphie gibt ein am Schlusse des Artikels genanntes Werli, Aug;
schloss.
Durch seine durch den Stich vervielfältigten Zeichnungen isi
er im weitesten Kreise bekannt, seine Gemälde sind nur in eugli,
sehen Sammlungen zu finden. Diese sind ebenfalls sehr Ulallnig.
faltig. Er versuchte sich mit Erfolg im Gebiete der höheren Hi-
storie, im Phantastisch-Poetischen, im Humoristischen, und in
Conversationsstiicken im Geschmaeke Watteaifs. Seine Gemälde
erfreuen durch eine heitere blühende Färbung, und da sich darin
auch viel Gefühl fiir Grazie der Bewegung 8USSprlCltl,"SO werden
seine Gemälde nie denEindruck verfehlen. Zu seinen fruheren Bil.
dern gehören jene, welche er für BoyclelPs Shakespeare-Gallei-ie
malte, und die eine sehr bestimmte Nachahmung des Rubens ver-
rathen. Sie sind in den Cabiiieten der englischen Iiuiistliebhaber
zerstreut. Einige besitzt der Dichter Rogers, darunter mit Vigl
Geist und Laune aufgefasste Gruppen von Hauptpersonen der Dm.
men. In andern Bildern suchte er den Rafael nachzuahmen, wie
in seinem Gemälde der Königin Boadicea, welche auf dem Streit-
wagen die Britonen zur Vertheidigung des Vaterlandes gegen dia
Römer anfeuert. Die Schönheit und Reinheit des Styls, verbun.
den mit einer strengen Zeichnung, erhebt dieses _Bild über die
meisten Erzeugnisse der englischen _Sehule. Die Zeichnung ist im
Besitze des H. de Roveray, und seit 1812 durch den Stich von
W. Sharp bekannt. Eine andere sehr geistreiche und lebeiidi e
Composition ist im Style des italienischen Cinquecento beballdelit,
Es ist diess die Pilgerschaft nach Canterbury, dem Gedichte Chau-
cer's entnommen, aber keine Fahrt frommer Pilger, eine lustig;
Gesellschaft, mehr eine Ironie als richtige Darstellung des Gegen.