Steiule ,
Johann
Eduard.
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selben bekannt, welche einerseits von der vollen Gültigkeit der
genannten Kunstrichtung, anderseits aber auch von dem Punkte,
wo dieselbe einseitig und also ungültig zu werden beginnt, cha-
rakteristische Belege geben, wie Hugler bemerkt. Der genannte
Schriftsteller bcurtheilt in dieser Hinsicht namentlich die vier
ersten der folgenden Blätter.
Die Iirippenfeier des heil. Franciscus, auf Stein ge-
zeichnet von H. linauth, qu. fol. In einer kleinen Felsenhiihlß
ist eine iigiirliche Darstellung der GeburrChristi und davor ein
Altar mit dein Priester und mit Chorknaben. Auf der einen Seite
sieht man knieende Mönche, auf der anderen den heil. Franz,
welcher die heranzieheude Schaar zur Verehrung einladet. Ueber
ihm, in den Zweigen des Baumes, sind musicirende Engel, und
das als Unterschrift dienende Gedicht enthält dielirzählung von
dem Ürsprunge der Krippenfeier. Das Bild fuhrt in einen religiö-
aen Cultus von ländlicher und kindlicher Naivetät ein; der demü-
thige, gläubige und hingebende Charakter, den die ganze Dar-
stellung hat, stimmt damit aufs vollständigste. Alles bewegt sich
in zartester und unbefangenster Grazie und zugleich in jener feier-
lichen Ruhe, die mit innerer Nothvvendigkeit zu einer gemessenen
Stylistik in der Zeichnung führt. Kugler wüsste kein anderes Bei-
spiel der gesamuiten in Rede stehenden Kunstrichtung zu nennen,
das auf ähnliche Weise rein, anspruchlos und darum so höchst
ansprechend erschiene. v
Die sieben Werke der Barmherzigkeit, sieben kleine
Darstellungen auf einem Blette. Auch hier sind die Aufgaben mit
den einfachsten Mitteln gelöst und darum zunächst auf das Ge.
miith eindringlich wirkend; doppelt wirksam durch das feine Ge-
fühl in Forinenbcziehung und Ausdruck. Diese Darstellung hat
F. A. Pflugfelder trefflich gestochen, Umrisse mit geringer Schat-
tenangabe, hoch fol. J. Fay hat sie lithographirt für den dritten
Band der Geschichte der neueren deutschen liunst von A. Grafen
Raczynski, roy. fol. Die Zeichnung ist im Besitze des H. Springs-
feld in Frankfurt.
Der verlorne Sohn. lith. von Chr. Becker, qu. fol. Diese
Darstellung, schon entschieden symbolischen Inhalts, iindet Kugler
anspruchvoller als die vorigen, und darum minder naiv. Nach
seiner Behauptung ist der Künstler nicht recht dahin gelangt, die
tiefere Bedeutung der Darstellung in der letzteren ganz aufgehen
zu lassen. Die Hauptgruppe, des Vaters mit dem Sohne, beson-
dcrs die Weise wie der Sohn sich jenem in die Arme wirft, findet
er zwar noch vortrefflich componirt, in der Gestalt des Vaters
aber auch eine gewisse Feierlichkeit, die durch den Schlichten
Vorgang nicht recht motivirt ist. Die Knaben zur Seite, die Ge-
wand und Kästchen herbeibringen, sind nach seiner Ansicht schon
ziemlich entschieden zu blosscn Repräsentanten des Gedankens ge-
worden, und haben damit zugleich an der Schönheit und selbst
an der Richtigkeit der Zeichnung Einbusse gelitten.
Der Heiland als guter Hirt, das verlorne Schaf wieder
iindend, gest. von J. Keller. gr. qu. fol. Das Schal ist auf einer
Felsenhöhe zwischen den Stämmen des trockenen Dornbusches ein-
geklemmt, und der Heiland kniet vor dem Busche, um, wie es scheint,
das Thier frei zu machen. Mit dieser Darstellung findet sich Kug-
ler am wenigsten befriediget, obgleich die hohe Schönheit des bibli-
schen Glcichnisses, und die Fähigkeit zur künstlerischen Darstellung
desselben Niemand läugnen wird, Steinle hat sich nach seiner An-
sicht allzu einseitig an den blosscn Gedanken gehalten, und aus der