Steinbaeh ,
Erwin
VOR-
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eine solche Ehre ansprechen, welche ihnen aber Prof. Straße], der
gewissenhafte Geschichtschreiber des Elsasses II. 94, allen streitig
macht, da er nach einem vorgefundenen Manuscripte den Künstler
einen gebornen Mainzer nennt. Das Geburtsjahr Erwiifs ist eben-
falls unbeliannt, so wie seine Bildungsgeschichte, und wenn je-
mand behauptet, er habe in der Hütte zu Freyburg gelernt, so
hat er nicht mehr bewiesen, als derjenige, welcher ihn aus der
Mitte jener alten Bauverbriiderungen hervorgehen lässt, deren rast-
ioses Streben unsere höchste Bewunderung erregt. Am deutlich-
sten spricht sein Wunderwerk in Strassburg, die von ihm gegrün-
dete Faeade, in welcher, so weit sie nach Erwin's Plan zur Aus-
führung gekommen, Iiugler (Handbuch S. 554) im VVeseutlichen
den Einfluss des französischen Cathedralensystems erkennt. Wie
an den französischen Cathedralen, so herrscht auch hier die Mas-
senwirliung vor, und statt das Gesetz einer durchgehenden, auf-
wairtsstrebenden Entwicklung (wie am Cölner Dom) zur Erschei-
nung zu bringen, sehen wir im Gegentheile wieder die Einrich-
tung der trennenden Gallerien angewandt. Doch hat sich der Nlei-
ster nicht völlig von jenem, der deutschen Iiuiist angehörigen Ge-
setze entfernt, und durch dasselbe getrieben, und zugleich voü
einer ganz eigenthiimlichen Grazie und von eben so hoher schö-
pterischcr liraft beseelt, hat er auch hier das französische Princip
zu einer grossartigen Aninuth, zu einer Reinheit und Klarheit ums
gebildet, wie dessen die französische Architektur kein Beispiel
kennt. Zu dieser Üeberzeiigung gelangte Iiugler durch das Stu--
diurn der französischen Baudenkmäler, deren Chapuy (Cath. fran-
Qaises), A. de Laborde (Man. de la France) u. A. eine grosse An-
zahl in Abbildungen geben. Man ersieht daraus, dass Erwin, wenn
nicht gerade aus einer französischen Schule hervorgegangen, we-
nigstens die genauesten Studien in Frankreich gemacht habe, die
er dann beim Bau der Faeade in Anwendung brachte. Nur das
Schilf des Münsters erscheint nach einem ähnlichen Princip an-
gelegt, wie das desfreihurger Doms: aber in ungleich edlerer
Weise durcligebildet. Dieser Theil ruhrt indessen. nicht von Er-
win her.
Die erste Gründung des Münsters fällt in sehr entfernte Zei-
ten"). Chlodwig I. liess hier um 504 eine kleine Iiirche in Holz
errichten, durch eine Stiftung Carls des Grossen wurde aber 793
der Chor von Stein erbaut. Doch auch dieser Bau zerfiel, und
erst Bischof Wernher, ein Graf von Habsburg, legte 1015 den
Grund zu dem jetzigen Dome, wozu die Vorbereitungen seit 1007
dauerten. Der Meister des Baues ist unbekannt, man weiss nur,
dass der Bischof erfahrne Wverlaleute berufen habe, unter deren
Leitung sich 1028 der Chor wölbte. Die Begeisterung war allge.
mein, so dass zwölf bis zwanzig Meilen im Umkreise Freie und
Fröhner Gott und der heil. Jungtrnu zu Ehren zum Tempel bei-
trugeii. In einem Zeitraume von dreizehn Jahren waren 100,000
Menschen am Baue beschäftiget, allein nach dem 1023 in Cungmn-
tinopel erfolgten Tod des Bischofs schien plötzlich alles erstorben,
und nur langsam rückte man weiter, bis endlich Bischof Conrad 11.,
aus dem Geschlechte der Liclitenberg, den zweiten entscheidenden
Schritt thnt, und dem Meisterwerke die Iirone aufsetzte. Er sah
1275 das Schiff der liirche vollendet; Niemanchaber sagt uns
Die Gesghichte des Münstefs, sßchgdäus Sumrnqm Argen-
torntenslunz templum, d. 1. nusführhche Beschreibung etc.