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Scopas.
Ob aber die in Florenz befindliche Gruppe, welche 1585 beim
Tllßfe St. Giovanni in Rom boschädiget unter dem Schulte her-
vorgezogen wurde, dieselbe sei, von welcher Plinius sagt, dass sie
im Tempel des Sosius aufgestellt war, ist eine andere Frage: i")
Nach der Annahme dcr meisten Archäologen diirlte die florenti-
nische Gruppe Copie seyn. Die Statuen derselben sind von un-
gleichem Wertbe, selbst von verschiedenem Marmor die wirklich
zu den Niobiden gehörigen. Es sind nämlich mehrere andereStatuen
hinzu gekommen, die zum Ganzen nicht gehören, wie ein Disko-
bol, eine Psyche, eine Musenfigur, eine Nymphe, eine Gruppe
jugendlicher Panlsratiasten, was sich alles nicht zum Ganzen fügt,
obgleich mit den Niobidcn gefunden. Als zur Gruppe gehörig
erklärt O. Müller, Arch. S. 117, ausser der Mutter mit der jüng-
sten Tochter zehn Figuren, und Thorwaldsen glaubte den soge-
nannten Narcissuss in der Gallerie zu Florenz (Gßl- tav- 74) bin-
zufügen zu müssen. Ob aber auch diese Statuen die im Alterthume
berühmten sind, ist nach Müller u. a. sehr zweifelhaft, da die
Behandlung der Körper, obwohl im Allgemeinen vortrefflich und
grossartig, doch nicht die durchgängige Vollendung und Frische
zeigt, wie die Werke des griechischen Meissels aus der besten
Zeit. Waagen l- c. 111. Spricht sich seit dem Vergleiche der einen,
jetzt im Braccio nnovo des römischen Museums aufgestellten, eilig
bewegten Tochter mit der entsprechenden jener Gruppe in Florenz
bestimmt für eine Nachbildung aus, ohne jedoch behaupten zu
wollen, dass wir in der vatikanischen Statue das Original besitzen.
Doch steht dieselbe nach Waagen an Lebendigkeit und Ursprüng-
lichkeit der Gewandmotive dem Original unendlich viel näher, als
die florentinische, wie viel man auch bei letzterer auf die Ueber-
arbeitung rechnen mag. Doch auch die Mutter mit der jüngsten
Tochter, welche höher als alle anderen Figuren der Gruppe zu
schätzen ist, kommt im Style des Gewandes der vatikanischen nicht
gleich, und einige der als Büsten vorkommenden liöpfe derselben
sind mindestens eben so schon. Der lebendige Hauch griechischer
Kunst ist dagegen in dem sogenannten Iliuneus in der Glyptothek
zu München" unverkennbar; er (liirfte daher ohne Zweifel als der
einzige Üeberrest der Original-Gruppe zu betrachten Seyüi W056i
um so mehr zu bedauern ist, dass der Kopf dieser Statue fehlt.
Sie erscheint knieend und wird desshalb llioneus genannt, weil
dieser letzte Sohn der Niohe nach Ovid beschwürend und betend
Apollo's Mitleiden zu erflehen suchte. Sie ward neben anderen
Antiken 159g vonTycho de Brahe, dem Hofastronomcn des liaisers
Budolph, aus Italien nach Prag gebracht. Hudulphk kostbares
Der Tempel ist wahrscheinlich von Cn. Sosius gegründet.
der unter Antonius in Syrien stand, und nachher mit C.
Dnmitius zum römischen Consul ernannt wurde. Sosius
dürfte auch die Gruppe aus Asien mit nach Rom gebracht
haben, mit der Statue des Apollo von Cedernholz, vun welcher
Plinius an einer anderen Stelle (XIII. 11) spricht, wu es
heisst: ln einem gewissen Tempel Roms steht der Sosiani-
sehe Apollo von Cedernholz, der aus Seleucia dahin ge-
bracht wilrde. Kam nun die Gruppe ebenfalls aus Syrien
oder Cilicien, wo Sosius ebenfalls Befehlshaber war, nach
Rom, so Würde rliess einen Grund mehr für sich haben,
dass sie von Scupas und nicht von Yraxiteles sei, weil
ersterer in Asien mehrere beträchtliche Arbeiten ausliihrlo,
vuu Praxitclue darüber aber nichts bekannt ist.