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Scopas .
der späteren, mehr individualisirten ltuifassung der Venus zu be-
trachten, da wir aus Plinius wissen, dass Scopas die Liebesgöttin
in verschiedenen Beziehungen gebildet habe. Als Stoff wählte er
gewöhnlich den weicheren Marmor, selten das Erz.
Scopas ist wahrscheinlich der Sohn des Erzgiessers Aristan-
dros von Paros, der um Ol. 914. thätig war; denn die Stelle des
Plinius XXXIV, 19., wo er unsern liiiustler in.clie Reihe der um
Ol. 87. lebenden Meister bringt, ist jetzt ohne Gültigkeit, da nach
Thiersch (Epochen S. 285) darunter wahrscheinlich Onatas gemeint
ist Doch scheint Scopas ebenfalls schon um Ol. 94 ein tüch-
tiger Meister gewesen zu seyn , da ihm nach Ol. 96. der Bau des
Tempels der Athena Alea zu 'I'egea anvertraut wurde, der grösste
und schönste Tempel des Peloponnes, wovon aber nur geringe
Ilcberreste vorhanden sind (Dodwell II. 419). Er war ein Peripte-
ros Hypäthros, im Aeusseren mit einem jonisehen Peristyl. im In-
neren mit dorischen Säulenstelhxngeix, über denen Gallerien von
ltorinthischen Säulen standen. So wie in der Sculptur so bezeich-
nete Scopas auch hier für die Architektur eine neue Epoche, näm-
lich durch die Anwendung der korinthischen Säulen als einer selbst-
ständigen Ordnung, so wie durch die durchgeführte Verbindung
der drei verschiedenen Ordnungen zu einem Ganzen. Ueber die
Bildwerke, wonxit er diesen Tempel schmückte (Statue der Athene,
Aehilleus und Telephus, und calydoniscbe Jagd) werden wir un-
ten berichten.
Sculpturen des Scopas.
.Als ein Werk, welches vorzüglich geeignet ist, die Rich-
tung dieses Meisters klar zu veranschaulichen, bezeichnet man
jetzt die Venus von MliO (Melos) 1m Museum zu Paris. Diese
(i F. 5 Z. hohe Statue erklärt Waagen (Kunstwerke und Künstler
in Paris S. 108) der Meinung (lerjenigen entgegen, welche darin
eine Nachahmung eines Werkes des Praxiteles vermuthen, als wahr-
scheinliches Originalwerk aus der Schule von Scopas, welches erst
1820 von einem Landmanne beim Graben in einerNische entdeckt
wurde. Dieser Statue erwähnt zwar keiner der alten Schriftsteller,
allein Scopas lieferte mehrere Werke dieser Art, und somit konnte
auch sie auf dem alten Milos, wenigstens unter seinem Einflusse
entstanden seyn. Nur von den Hüften abwärts bekleidet, steht die
Göttin in dem stolzen Bewusstseyn sicheren Sieges, das Haupt er-
hoben, fast auf sich beruhend da, in den Händen ursprünglich
ohne Zweifel irgend ein Symbol des Sieges haltend. Die Behand-
lung des Nakten erinnert nach Waagen in der Grossheit, Verein-
fachung und Bestimmtheit der Formen noch lebhaft an die Rund-
werke vom Parthenoxi, vereinigt aber damit eine gewisse, wenn
gleich durchaus keusche, naive, frische und gesunde Weiche und
Fülle, welche schon überall vorhanden, doch am deutlichsten in
den Falten der Haut zwischen der rechten Schulter und dem Arm,
Plinius nennt da: nPytßzgox-am , Scopam, Pereliumm Dieser
Scupas lsfmu nicht unser Künstler seyn, da dieser noch Ol.
106 (lfbßllßtß. Heyne (antiq. Aulk. I. 234) glaubte daher den
Namen Scopas streichen zu müssen, Bönicher (And. 155)
nahm dasselbe an. Fea (zu Winckelmann II. 197) unter-
schied zwei Scopasz so wif: Sillig (Catal. arlif. p. 415) , der
aus wScopam, Perehumu emen Scnpas Elias herausfiudct, so
dass wir einen Meister dieses Namens von Paros, und einen
andern von Elis hätten.