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Santi
(Sanzio) 1
Rafael.
ben I1at._Unten an dem Architrav des Fensters steht. JVLIVS. II.
LIGVR. PONT. MAX. ANN. CHRIST. MDXII. PONTFICAT.
SVI. VIIII.
Eine leichte, erste Skizze zu einem Theile dieser Composition
ist in der Sammlung des Erzherzogs Carl zu Wien. Eine andere
Zeichnung, die aber nichtächt ist, sah Passavant im Nachlass Lawrence.
Nach Vollendung des Bildes der Messe von Bolsena segnete
Julius II. das Zeitliche und hinterliess noch Grosses zu vollführen.
Doch auch Cardinal Giovaniti de Medici, der als Leo X. den päbst-
liehen Thron bestieg, war ein kunst- und prachliehendcr Fürst,
und so erlitten die im Vatikan begonnenen Arbeiten wohl nur kurze
Zeit eine Unterbrechung.
Das dritte Wandgemälde stellt die Befreiung des Apostels Pe-
trus aus dem Gefängnisse dar, und besteht in drei Abtheiluxigen.
In der Mitte über dem Fenster sehen wir durch das Gitter, wie
Petrus zwischen zwei Wachen gekettet, in tiefem Schlafe liegt, und
und wie die Lichtgestalt eines Engels lterbeieilt ihn zu wecken.
Rechts fiihrt der himmlische Bote den noch triiumenden Apostel
zwischen den schlafenden Wachtern durch , _und links er-
blicken wir diese ausserhalb des Gebäudes in Bestiirzting über die
Entwcichung des Gefangenen herumlaufend. In beiden ersten Dar-
stellungen geht die Beleuchtung vom Engel aus, im letzteren von
der Fackel eines der Wächter und dem schwachen Glanze des
Mundes. Die Wache haltenden Soldaten tragen statt der antik-
riitnischen Rüstung eiserne Panzer und Waden, wie sie damals
gebraucht wurden, was die von Bellori ausgesprochene Vermu-
thung unterstützt, dass diese Darstellung eine Anspielung auf die
ans Wunderbare grenzende Befreiung Leo X. aus der französi-
schen Gefangenschaft sei, in die er als Cardinal-Legat bei der
Schlacht von Ravenna gerieth. Am Feinster "steht: LEU X. DON'T.
MAX. ANN. CIIBISÄP. MDXIIII. PONTIFICAT. SVI. II. In der
llorentinischen Sammlung ist ein Entwurf zu diesem Gemälde.
Das vierte grosse Bild des zweiten Zimmers zeigt uns AtQla
den I-Iunnenkiinig an der Spitze seiner Horden im Begriffe gegen
Ilom anzuriicken; allein es erscheinen plötzlich die Schutzheiligen
der Stadt, Petrus und Paulus, die mit Schwertern oben zur Seite
links über dem Pabste, hier Leo X. schweben, und den von
Schrecken ergriifene Hunnen bewegen, dem Ansinnen des Palastes
Leo I. Italien zu verlassen, Gehör zu geben. Der Pabst sitzt in
Erfurchtgebietender Ruhe und Würde auf einem weissen Zelter,
den ein Beitknecht bei dem Zaume fiihrt. Er wird von zwei Car-
dinälen, einem lireuzträger, einem Iiolbentriigcr und anderem Ge-
folge, sämmtliclt Portraite, begleitet. In einem früheren Entwurfc,
jetzt in der Sammlung des Louvre, hatte Rafael im Vurgrunrle
links noch Gruppen von Pteitcrn und Hunnen dargestellt, welche
von der Wirkung der Erscheinung, die Alhlß nur allein wahrzu-
nehmen scheint, von Entsetzen ergriffen: werden, den Zug des
Pabstes aber sieht man nur in der Ferne. Diese sorgfältig ausge-
tiihrte Zeichnung legte Rafael wahrscheinlich dem Pabste vor, da aber
fiirgut befunden wurde , auf die 1515 durch Leo X. erfolgte Vertrei-
bung der Franzosen aus Italien anzuspiclen, so musste der Papstnebst
seinem Gefolge in den Vurgrund gerückt werden. Dadurch gingen zwar
einige mit grosser Lebendigkeit dargestellte Gruppen der Hunnen
verloren, aber die Darstellung gewann einen lterrlichen Gegensatz
der Iluhe und Milde gegen die unbändige Wildheit der Barbaren,
so wie das Ganze einen weit hohem dramatischen Charakter. Die-
ses Frescogemälde gehört auch in Bezug auf die Ausführung zu
den vorziigliehsten Werken Rafaeks"; denn wenn nach Passavant