Volltext: Rubens, A. - Santi, Rafael (Bd. 14)

Santi 
Rafael. 
dieser Vermuthung veranlasste Passavant vornehmlich der Blätterkranz 
auf dem Haupte, die gewählte Haltung, der eindringendeBlick. Nlis- 
sirini glaubt darin das von Vasari erwähnte Portrait der Vittoria Co- 
lonna von Sebastian del Piombo nach einem Carton von Michel Angela 
gemalt, und beruft sich auf einen liupferstich von E.Vicus; allein we- 
der dieses Blatt noch der Stich von W. Hollar zeigt Aelinlichkeit mit 
dem Bilde in Florenz. Andere haben auf die Herzogin Elisabetha 
von Urbino gerathen, oder aufAmalia Pia, doch ohne hinreichenden 
Grund. Es kann auch nicht die Herzogin Beatrice von Este vor- 
gestellt seyn, die Gemahlin des Herzogs Ludovico Sforza, da diese 
schon 1497 sturb. Passavanfs Vermuthung bleibt daher die wahr- 
scheinlichere, und sie gewinnt noch um so grüssercs Gewicht, da 
sich auch ein Brief der Gratiosa, aus dem ausgezeichneten Hause 
der m0, d- d- Ferrara 27- OClOlJCP 1523. an Pietro Bembo findet, 
wo Gratiosa mit folgenden Worten schliesst: vLe raccomanda la 
mia Beatrice e me insiemerc. Dieser Brief steht in der Sammlung: 
Delle lcttere da diverse principesse etc. a P. Bembo. Venezia 
1560 II. 29. 
Rafael hat um 1512 auch einige Madonnenbilder gemalt, wo- 
zu nach Pnssavant folgende gezählt werden tiiirfen. Zuerst nennt 
er dasjenige, welches aus der Sammlung de Seignelay in die Gal- 
lerie Orleans und aus dieser in die Gallerie des Herzogs von Brid- 
gewntcr (auch Stafford- jetzt Sutherlund-Gallerie genannt) gelangt 
ist. und Öfters mit dem Namen der heil. Familie laezeichnet wird. 
lWlarin, in halber Figur nach links gewendet, hiilt auf ihrem 
Schoossc das quer aufliegende Christkind und legt die Linke auf 
die Brust. Das Iiind in lebhafter Bewegung fasst den Schleier der 
Jungfrau und wendet den Blick aufwärts zur Mutter. Der Hinter- 
grund zeigt eine Zimrnerwand. Die Zeichnung und Modellirtxng 
an diesem reizenden Bilde ist besonders beim Jesuskinde sehr schon, 
und es liisst sich nach Passavant keine anmuthigere und hewegtere Li- 
nie denkcn, als der Umriss von der Schulter über die Hiittexi bis 
zum Fiisschcn. Es ist in der Cnrnatioxi meist diinn gemalt, zu- 
weilen auch etwas verwaschen, so dass öfters die Aufzeichnung 
durehscheint. In einzelnen Theile ist es iibermalt. ln Paris wurde 
das Bild von Holz auf Leinwand übertragen. Der Herzog von 
Bridgewater soll es um 5000 L. gekauft haben. 
Im Museum zu Neapel ist eine Copic, und eine andere im 
Pallaste Pallavicini zu Genua. Auch im Museum zu Berlin, im 
Schlosse zu Gotha, im Stiidelschen Institute zu Frankfurt u. s. w. 
sind Copien nach diesem Bilde. 
Ein zweites, leider sehr verwaschenes Bild aus dieser Periode 
ist in der Sammlung des Dichters Samuel Rogers in London. Ma- 
ria sitzt (Iiniestiick) auf einer Bank. und driickt das auf derselben 
stehende Christkind an ihre Brust, welches lächelnd aus dem Bilde 
sieht. Der Hintergrund zeigt etwas Landschaft. Passavant ersah 
aus dem Zustande des Bildes, dass Rafael die Carnntion sehr klar 
in den Schatten, riithlich in den Üebergängen und fast weiss iu 
den Lichtern hielt, um dann bei dünner Uebcrmalung, fast lasur- 
miissig dem Ton eine tiefere Färbung zu geben, und hierdurch 
eine leuchtende Wirkung hervorzubringen. Dieses Bild kam mit 
der Gallerie Orleans nach England, wo es Hr. Willet um 150  
erstand. Rogers erhielt es von Henry Hupe. Iru Hause Ceccomani 
zu Perugia soll sich noch 1784 der Carton befunden haben, der 
aber verschwunden ist. Dom. di Paris Alfani benutzte diese Cuuv 
Position bei seinem schönen Altarblatte in der liirche der Sapienlii 
vccchia zu Perugia.
	        
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