Santi
(Sanzio) v
Rafael.
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Wissenschaft, am Pfeiler über der im Jahr 1512 von Andrea San-
sovino ausgeführten schönen Marmorgruppe der Maria und Anna
malte. Der Prophet sitzt, indem er mit beiden Händen eine Per-
gantentrolle nach der Seite rechts geöffnet hi-ilt. auf welcher in he-
bräischer Schrift der zweite Vers aus Cap. XXVI. des Propheten
steht. Zwei Knaben, mit einem Laub- und Fruchtgesvinde um-
schltingen, stehen erhöht zu den Seiten und halten eine 'l'afel mit
einer griechischen Dedication des Apust. Prot. Johannes Corizius an
die Mutter Anna, an Maria und den Heiland. lialael malte diesen
Propheten zum wiederholten Male, wahrscheinlich im letzten
Jahre des Pontificates Julius II. was aus der Jahrzahl 1512 der In-
schrift am [Vlarmorwerke erhellet, und aus dem Umstande, dass
die Engel beim VVnppen des Pabstes Julius über dem Caxnin ge-
nau copirt sind. Der Pabst starb am 21. Februar 1515- Bei d"
Vergrösserung des vatikanischen Museums sägte man das Wappen
aus und gab die Engel weg. Der eine ist jetzt in England, der
andere in der Akademie von S. Luca in Rom, als Geschenk des
Malers Wicar. Sie sind indessen Schiilerarbeit.
Vasari sagt, Rafael habe das erste Gemälde vernichtet, als erdie Bil-
der Miehel Angela's in der Sixtina gesehen hatte, da die Grussartig-
keit derselben einen solchen Eindruck auf ihn gemacht haben soll,
dass er besclllnsS, in gleichem Style seinen Propheten zu ma-
len. Vasari lobt desswegen das Bild vor allen anderen und
behauptet in seiner Vorliebe fiir Michel Angela, dass von dieser Zeit
an llalaeVs Behandlungsartausserordentlich an Grossartiglseit gewon-
nen, und dass er seinen Figuren seitdem mehr Majestät gegeben
habe. Dass Rafael in dieser Darstellung den lVlichel Angela zum
Vorbilde genommen habe, ist nnleugbar, allein man ist jetzt der Ucber-
zeugung, dass er durch dieses Heraustreten aus seiner individua-
lität keineswegs an Kunst gewonnen habe. Passavant hält den
Propheten Jesajas für eines der unbedeutendsten Werke des Mei-
sters, und behauptet, dass er in demselben statt in Miehel Aluge-
lo's grandiose Derbheit, ins Schwer-fällige, statt in dessen eigen-
thiimliche ldealitiit, ins Flache verfallen sei. RafaeVs Individuali-
tät erscheine erst dann wieder in ihrer ganzen Herrlichkeit, als er
von seines Nebenbuhlers Art sich Wieder völlig losgerissen.
Dieses Bild erregte aber damals selbst bei Michel Angele Be-
sorgniss, der es sehr gut befunden haben muss, wenn die Sage
wahr ist, dass er geäussert habe, das linie allein sei den geforder-
ten Preis werlh, welchen der Besteller zu hoch fand. Selbst der
Pabst scheint an diesem Werke Gefallen gefunden zu haben, und
Willens gewesen zu seyn, dem Rafael die Vollendung der Arbei-
ten in der Sixtina zu übertragen. Condivi (Vita di Michel Angela
p. 55) sagt, Bramantc habe auf Anstiften Balaelk. den Pubst über-
reden wollen, ihin die andere Hiilfte der Sixtina zum Ausmalen zu
übergeben, doch sei die Sache auf Vorstellung des älteren Nim-
sters hinlcrtriehen worden. Condivi war Zeitgenosse des Michel
Angele, der das meiste aus dessen eigenem Munde hatte, was auch
mit Vasari der Fall seyn konnte, wenn er sagt, Bramanle habe
aus Neid seinem NelTen Ilafael die Arbeit zubringen wollen . Dass
diese beiden Biographen die Aussage aus BuounrottYs eigenem
Munde haben konnten. beweiset eine Stelle aus dessen eigenhändi-
gem Briefe, welchen S. Ciampi [Lettera di M. Bonarotti per gin-
stificarsi contro le calunne degli emuli etc. Firenzc 1854. p. 7) b?-
hannt gemacht, und in welchem "der Meister sagt, an allen Miss-
helhgheiten zwischen Pabst Julius II. und" ihm sei nur-der Neid
des Bramante und des Rafael von Urbino Schuld gewesen. WQSS-
halb: um ihn zu Grunde zu richten, das4Monument' bei Lebzeiten
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