Santi
Rafael.
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sem Zustande kaufte es ein Liebhaber, der nun die Theile durch
einen geschickten Iiiinstlcr wieder so ut zusammenfügen liess,
dass man nicgts mehr bemerkt. Später befand sich dieses Bild in
der aus ezcic neten Sammlun_ des Hrn. von Chatcauneuf in Pa-
ris. Hiärauf kam es durch Eräschaft an den Marquis de la Veil-
liere, dann in den Besitz des Prinzen von Carignan, und von die-
sem erstand es Ludwig XIV.
Passavant erkennt im Bilde des Louvre unbedingt RafaePs Ar-
beit, Waagen lll. 445 findet aber bei aller Schönheit der Compu-
tion doch wieder viel Abweichendes von Rafael. Die Maria ist
ihm an Charakter mehr gefällig als bedeutend, im Ausdruck kalt.
Die Geberde des Johannes hat etwas Uebertriebenes, in seinen For-
men findet Waagen weder das feine Gefühl, noch in der etwas
glatten Mndellirung die geistreiche Pinselfiihrung Rafaefs. Auch
die Falten des Gewandes, worauf das Iiind schläft, erscheinen ihn;
zu styllos. In der Landschaft bildet rechts eine, sehr im Einzel-
nen ausgeführte Gruppe von Bäumen eine dichte Masse, wie dem
genannten Schriftsteller nie auf einem sicheren Bilde von Rafael
vorgekommen ist. Die Zusammenstellung der Farben endlich ist
ihm zu kalt und zu unharmonisch, besonders störend das hellvio-
lette Gewand der Maria, und das zu ganze Blau ihres Diadems
so wie des Tuches, worauf das liind schläft. Wir erwähnen die-
ser Critik hier nur, um darauf aufmerksam zu machen, wie selbst
Kenner, die so viel gesehen haben, wie die beiden genannten, in
ihren Ansichten oft sehr getheilt sind.
In der Bridgewater Gallerie zu London ist eine gute alte Co-
pie, die aus der Gallerie Orleans stammt. Die Copie der Samm-
lung des Herzogs von Choiseul kam später in Agars Sammlung.
Eine andere Copie, mit 1512 bezeichnet, kam aus der Verlassen-
schaft eines französischen Geistlichen nach Trier, und dann nach
Eneland.
DEin drittes Madonnenbildchen aus dieser Epoche ist noch das,
welches sich ehedem in der Sammlung Aldobrandini in Rom be-
fand, woher es den Namen hat. Es stimmt nach Waagen am mei-
sten mit der Madonna della Sedia überein, und möchte nur um
Weniges früher gefertigct seyn. Maria, halbe Figur, sitzt auf ei-
11er Bank und hält schützend mit der Rechten ihren Mantel hinter
das auf ihrem linie sitzende Christkind, welches dem rechts stehen-
den kleinen Johannes eine Nelke reicht, wonach er freudig die
Hand ausstreckt. Maria, deren liopf mit einem griinblauen, mit
Gold gestreiften Tuch umwunden ist, betrachtet letzteren liebreich
und umfasst ihn mit ihrer Linken. Sie hat, von der gewöhnlichen
Darstellungsweise abweichend. ein hellblaues, im Ton gebrochenes
Unterkleid oder Hemd an, das faltig das lackrothe Oberlileid über-
ragend, die Brust bedeckt. Zvcei gewölbte Oednungen mit einem
Pfeiler in der Mitte zeigen eine Aussicht auf Gebiiulichkeiten. Die
Carnation ist sehr klar und leuchtend, die Gewänder und die
Landschaft haben dagegen einen gedämpften Ton. Dieses vortreff-
lich erhaltene lileinod liaufte Hr. Üay von der Familie Aldobrandini
in Rom und iiberliess es für 1500 Ff. St". dem Lord Garvagh, dem
jetzigen Besitzer.
In der Akademie Carrara zu Bergamt), im Hause Staeoli zu Urbi-
no, im Hause Silva zu Mailand sind alte Copien der Madonna Al-
dobrandini. In der Gallerie Fesch ist eine Copie mit beinahe le-
bensgrossen ganzen Figuren. Der kleine Johannes kniet ellfilßr
EPQE- In jener des Lord Grossvenor zu London ist eine andere
51'616 Nachahmung, worin das Phristkind das Kreuzchen auf der lin-
ließ Schulter hält. Der landschaftliche Hintergrund wird rechts
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