Volltext: Rubens, A. - Santi, Rafael (Bd. 14)

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Santi 
(SnIlZiÜ) g 
Rafael. 
In der Schule von Athen erscheint Rafael bereits all Meister, der 
seines Stoffes sowohl als auch der technischen Tlehandlungsweise 
gleichmässig Herr geworden. Hinsichtlich des Farheuauftrages, des 
Colorits und der Totalwirkung scheint er bereits das Höchste er- 
reicht zu haben. In der Wahl der Figuren dürfte er namentlich 
dem Grafen Castiglione das meiste verdanken, allein mit welcher 
Wahrheit und Lebendigkeit hat er einen der bildenden Kunst bei- 
nahe widerstrebenilen Gegenstand dargestellt, wie scharf ist die 
(Ihrirnlsteristils eines jeden einzelnen Philosophen, und wie klar 
und sprechend das gegenseitige Yerhältniss der Figuren vor Augen 
gestellt! Höchst bcwunderungsivurtlig ist er auch in der Anwen- 
dung des antiken Costiims, welches damals noch weniger bekannt 
war, als jetzt, und hinsichtlich der Auflassung und Darstellung 
hat Rafael in diesem Bilde sich zu cinemso grossartigen Styl erho- 
ben, dass das Werk als das ausgezeichnetste. welches der Meister 
je hervorgebracht, angesehen wird. Und diess mit llecht,  dr-nii 
in ihm verbindet sich die aus der älteren Schule herühergebraclite 
Strenge und Symmetrie mit der malerischen Richtung neuerer Zeit. 
Die Charaktere sind alle tief empfunden und von der grösstcn 
Nlnnnigtaltiglseit, aber nicht portrnitartig behandelt. Er fasste den 
allgemeinen geistigen Charakter auf, und erreichte im höchsten 
Grade das, was bei dem Aufschwung der Iitmst in Italien die al- 
ten Nleister hauptsächlich anstrebtcn: die Verkörperung der Idee. 
llii-i-mit verband er aber auch zuerst durchgängig jene li-eii-re, le- 
bendigen: Behandlungsweise in den ljeiww-guiigen, in der Gruppi- 
rung und in der breiteren Behandlung der Massen, was niit der 
lleiicnnung des' malerischen Siyls bezeichnet wird. Diese liunst 
hesuss zwdi- auch Leonardo da Vinci und Giorgiune, cs huldigtc 
diesem den Alten unbekannten Style auch Michel Angclo bei al- 
ler Ausbildung des plastischen Theilcs und der tiefen dienntnigg 
des menschlichen Iiiirpers, aber iiii höchsten Grade war diese Kunst 
llnfael zu eigen. Diesen aussernrdentlichen Fortschritt möchte Va- 
sari vornehmlich dem Einllusse Michel Aiigelifs zuschreiben, und 
es ist eine solche Einwirkung des grossen ltleisters auch nicht zu 
läugnen, nur stellte Vasari in seiner Vorliebe lür den lflorentinirr 
die Behauptung zu allgemein. Die Individualität RafaePs stand 
mit jener Buonar0tti's in entgegengesetzter Richtung, und daher 
folgt natiirlich daraus, dass, wenn Rafael etwas von lVlichel An- 
gelo angenommen, dieses nur ein einzelner Tlieil der vielseitigen 
Vorziigewar, woinitllatael seinen Geist bereicherte, den er aner nach 
seiner Individualität umbilden musste. Auch verdankt er Scillcn 
wahrhaften Ruhm durchaus nicht der Nachahmung seines Neben- 
buhlers, wie denn n. a. das Bild des Propheten ISßiilS in S-_ Ago- 
stino zu Rom, in dem die Art des Michcl Angele ain entschieden- 
sten hervortritt, keineswegs als eines der gelungenercn Werke Ba- 
tael's mehr betrachtet wird. Dieser Einfluss erscheint indessen erst. 
nachdem derselbe den zuerst vollendeten Theil der Deckenmalcrci 
in der Sixiina gesehen hatte, was mit den letzten Arbeiten RafaePs 
im Zimmer della Segnatura zusammenfiillt. .Dass Rafael aus der 
Betrachtung dieser Werke Nutzen gezogen , ist unliiugbar, tund es 
finden sich sogar noch Zeichnungen nach denselben, wie die Er- 
höhung der ehernen Schlange im Besitze des Hrn, Coke zu llolk- 
hllm, und die Vertreibung aus dem Paradiese im Nachlasse Law- 
wnce zu London. Vasari sagt, Brainante habe ihn heimlich in 
die Capelle gelassen, was wohl möglich ist, da er ungestört nach 
diesen Bildern skizzirte. Er gab sich auch dein Eindrucke, 
den diese grussartigen Malereien auf ihn machen mussten, ganz 
hin, und dass sie ihm einen tieferen Blick in das Wesen der
	        
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