Volltext: Rhenghiero, Rhenghieri. - Rubens, P. P. (Bd. 13)

Die Gemälde des Meisters nach ihrem verschie- 
rlenen Inhalte eingethcilt und charalaterisirt. nach 
Waagen, im Raumefscher: Taschenbuche S. 226 m, und 
nach dessen Werk: Kunstwerke etc. l  4B. 
Bei Gegenständen, wie so vicle aus der lteiligcn Schrift, bei 
deren Darstellung es auf den Ausdruck hoher sittlicher Reinheit, 
Heiligung des Gemuths , ruhiger Beseligung ankommt, oder 
die wir nicht ohne edle Anmnllt. ohne Schönheit und Feinheit der 
Formen uns denken können, wie so viele aus der Nlythologie der 
Alten, kann Ilubens in der Regel keineswegs befriedigen. Denn 
abgesehen, dass ihm der Sinn für diese Eigenschaften in einem 
gewissen Grade abgeht, wird hier auch die xitachtheilige Seite je- 
nes raschen Hinwerfens des ersten Gedankens, der Mangel an Stu- 
dium, durch Verzcichnungeil und Missformen, willkiihrliches und 
unruhiges Faltenwesen häufig unangenehm fühlbar. Sein Christus 
erweckt daher fast nie, seine Madunnen nur selten eine würdige 
Vorstellung. Unter diesen Ausnahmen diirfte nach VVaagen eine 
Madonna im Capitolo Prioral des Escurials, die, auf einer VVelt- 
kugel stehend die sich ltriimmende Schlange unter die Fiisse tritt, 
die erste Stelle einnehmen. Maria, eine grnsse, schlanke und 
sehr erhabene Gestalt schwebt in einem Strnhlenglanze als Him- 
melskiinigin. und erweckt Ehrfurcht und Anbetung. Zwei liebli- 
che Engel stehen neben ihr auf den VVolken. Frau von Hum. 
holdt, welcher Waagen (l. c. S. 228) die Nachrichten über die in 
Spanien befindlichen Gemälde verdankt, findet dieses Bild su 
schön, edel und gross gehalten, so entfernt vun der oft so widri- 
genßÜeppiglteit der liubenäschen Frauen, dass man es auf der- 
selben Wand neben einem Rafael und einem grossen Gemälde 
von Guido mit Entzücken sieht. Dabei hat es alle Vurniige die 
liubens so gann uusschliessentl gehören, das hlühendste ,Flei.-clt 
und das schönste (lulorirt. Nächst dieser Maria spricht eine 
andere, die auf einer im königl. Museum zu Madrid befindlicher] 
Anbetung der Könige stehend vorgestellt ist, durch Schönheit der 
Gesichtszüge aber mehr noch durch Hoheit der Gestalt und durch 
sanfte und graziöse Beugung ihres Oberleibes itngemein an. Waa- 
gen glaubt, diese beiden Bilder dürften in der Epoche von 1609  20 
gemalt seyn. 
Hier dürfte auch eine Rückkehr der heil. Familie aus Aegyp- 
ten genannt werden, welche Waagen (K. und H. II. 59) in der 
Sammlung des Herzogs von Marlborougn zu Blenheim sah, und 
wovon cr sagt, es sei diess einen der retzendsten und seltensten 
Erscheinungen in dem weiten Iireise, welchen Rubens beschrieben 
hat, wodurch auch solche Iiunstfreunde gewonnen werden. wel- 
chen seine gewöhnliche mehr willltiihrliche, sinnlich-phantastische 
Weise widerstrebt. Dieses Bild möchte nach Waagen etwag wg. 
niges vor der berühmten Iireuzabnrihtne _in Antwerpen gemalt seyn, 
denn der Flügel derselben mit der Heimsuchung zeigt besonders 
im Charakter der Maria die grösste Verwandtschaft. Die Naivetiit und 
die Innigkeit des Gefühls, der kühle, heitere, morgenliche, ge- 
niässigte Ton , worin das Ganze sehr fleissig durchgeführt ist, ma- 
chen das Bild ungemein anziehend. 
Gegenstände, wie diedrei Göttinnen vor Paris, Venus Anadyomene, 
Latnna mit den Iiindern Apollo und Diana, die drei Grazlßn 8M- 
snreehen, von Rubens behandelt, den Anforderungen, welche man 
daran von Seite der Charaktere und der Form fast unwillkührlich 
zu machen gewöhnt ist, wohl am wenigsten. 
Nugleris Künstler-Lax. Bd. XIII. 34
	        
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