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VZIII
Rembrandt
Ryn ,
Paul.
diesem Bilde den Kerker, aus dessen Fenster der greise Herzog
hervorschaut, und vor ihm steht Adolph in prächtig glitzernder
Iileidung, die Schleppe seines Fiirstenmantcls von flwei lylohrpn-
knaben getragen. Er hallt die Faust zu dem Alten empor, mit
Verderben sprühenden Blicken stiert er vor sich hin, wild wie eine
Pferdemähne umwogt das volle Simsonshaar sein Haupt. lVInn
liest es mit Grauen in diesen entmenschten lügen. dass er augh
das letzte Mittel nicht scheuen wird, um zur Erfüllung seiner
Wünsche zu gelangenr Das Bild, sagt Iiugler, ist von einer tru-
gischen Grösse, wie sie nur etwa Shakespeare in seinem Richard
III zu erreichen vermochte, von einer Gewalt in der Färbung und
in den Würfen des Lichtes, die in ähnlicher Art schwerlich auf
einem andern Bilde zu finden seyn möchte. Das andere Bild des
Berliner Museums stellt den Moses dar, im Begriff, die 'l1al'rlxi
des Gesetzes zu zerschlnettern. Zorn und Schmerz wühlen auf
eine furchtbar ergreifende Weise in dem Antlitz des Gottgesantl-
ten. Das Bild ist überkühn, der Sage nach nicht mit dem Pinsel,
sondern mit den Fingern gemalt.
Andere Bilder beruhen ganz in der Darstellung phantastischer
Ilichterscheinungen, die, wie sie über die lülflßldßl) Personen über-
raschend und betäubend hereinbrechen, so auch den Beschauer
in jene Welt des Wunder-baren und Mährchenhaften mit Gewalt
hineinziehen. Unter den Bildern der Art ist besonders das Opfer
Abraham? in der Gallerie der k. Eremitage zu St. Petersburg, und
die Familie des Tobias mit dem Engel im Pariser Museum anzufiih-
ren. Auch-ist vornehmlich eine Reihenfolge kleiner Bilder in der
kgl, Pinakothek in Munchen zu nennen, welche Scenen aus dem
Leben Christi darstellen. Oder es ist minder ein solcher P15",
licher Effekt des Lichtes, als vielmehr das stille, gelieimnissvolle
Spielen des Helldunkels, welches dann eine eigenthümliche träumeri-
sche Stimmung hervorruft, wie z. B. in ein Paar Bildchen des
Berliner Museums, welche dürftig verfallene Bauernhiitten mit
seltsamem Gesindel, heilige Personen nach der Absicht des Künst-
lers. Auch gehört zu den Bildern dieser Art und Wirkung ein
vorzüglich schönes Gemälde der Gallerie Esterhazy zu VVien: zwei
studirende lViönche, deren Umgehung durch das hinter einem
Vorhange stehende Licht mit einem wundersamen Schimmer er-
füllt wird.
In einigen Gemälden hat es Rembrandt gewagt, Gegenstände der
heiligen Geschichte in griisseren Dimensionen und mit einer ge-
wissen Entiiusserung seines phantastischen Wesens zu behandeln;
aber in diesen Werken tritt seine gemeine Auffassung der Formen
um so auffälliger hervor. Das widerwärtigste von den Bildern
der Art ist nach liugler jenes der Gallerie Esterhazy, welches in
lebensgrossen Figuren Christus vor Pilatus darstellt. Christus ganz
nackt, ein höchst missgeschadener holländischer Akt, die andern
Figuren wiederum mit einer gewissen Reminiscenz an das Phanta-
stische, die aber hier, im Gegensatz gegen diese gemeine Natur,
nur unerfreulich wirkt. Eben so ist auch ein grosses Bild der
heil. Familie in der Münchner Gallerie wenig anziehend.
Auch der antiken Mythe ist Rembrandt in einigen Füllen nach-
gegangen. Diese passt zwar in ihren Anforderungen auf classischc
Reinheit auch nicht sonderlich für sein düster eigenwilligßs W6-
scn, doch hat er sie zuweilen wiederum auf eigenthümliche Weise
in das Mälirchen seiner Heimath zu übersetzen vermacht. Dahill
rechnet Iiugler besonders ein, fabelhaftes Bild der Gallerie Lich-
tenstcin zu Wien, n-elches die Diana vorstellt und irgend einen