Baimondi ,
Marcantouio.
209
gen gefasst machen miissen. Nur im Umrisse sind seine Blätter iin-
vergleichlich, und die fast durchgängige ausserordentliche Schönheit
derselben war vielleicht die UrsaChSJ däSS m31! geglaubt hat, Ha-
fael habe nicht allein die Umrisse auf dein Papier corrigirt, son-
dern selbe sogar eigenhändig mittels der Nadel auf das Kapier-
gezeichnet. Zu dieserAnnahme möchte man dann auch noch durch
den Umstand gekommen seyn, weil sich doch auch manchmal Blätter
finden, die lDJ.UlIl_t'lSS8 nicht in gleichem Grade verstanden, und
zierlich sirliad, wie um jtlfeflgßl" Critikei- finden könnte. Doch selbst
in diesen iittern ist arc-Anton noch ross, hat man einzifr die
Composition iin Sinne, ohne auf die Mitiiel der_ Darstellung liiiick-
sicht zu nehmen. Die Schönheit und Anmuth der Form und des
Ausdruckes, auf das verständigste nach Alter und Geschlecht moti-
virt, die ausserordentliche Klarheit, die iiber das Ganze verbreitet
ist, ivirtl stets bezaubern, die Mängel vergessen machen, welche
das durch d-ie modernere Iiupferstecherkunst verwöhnte Auge in
diesen Blättern bemerkt. Ini Verwleiche mit den neuern Blsittern
sind diese Arbeiten eintönig, ungileich und hart im Schnitte, das
Licht" ist zerstreut, die Halbtinten fehlen, es ist entweder alles
gleich dunkel oder es sind die dunkelsten Schatten an den Umriss
gebracht; keine Beachtung_ der Reflexe, der Lnftperspektive, keine
Verschiedenheit dei-"Liilsaltlnlen. weder Leichtigkeit, noch Weich-
heit. Die eigentliumliche Schönheit und den vollen Werth der
Iiunstschöpfuiigen, welche uns die Blätter der Rafaelisch-Marc-
Antonisclien Sclinle demnach offenbaren, lässt sich indessen nur
nach den ältesten guten Abclriicken vor der Retouche und vor den
Adressen eiirtheileii.
Das erste Blatt, welches er in Rom stach, stellt die Liicretiri
dar, wie bereits oben bemerkt. Hierauf stach er seine Didu und
dann unter dein unmittelbaren Eintlusse IlafaePs das Ürtheil des
Paris, den Iiindermord, den Bau denArche, Neptun, clie Entfiih-
rung denl-Ielena, die Marter der heiligen Felicitas u. s. w. Diese
Blätter sind nicht unmittelbar nach Geiniililen, sondern nach
Zeichnungen, die Rafael bei der Ausluhruug in Farbe nicht selten
veränderte und verbesserte. Die Marc-Antoifsclien Bliitter erhielten
uns also häufig die ersten Entwürfe des grossen Nleisters , die. ne-
ben dem tiefsten Wissen, das Feuer und die Schnelligkeit seines
Schaffens verkünden, im Marc-Antonäcliein Stiche aber in ihrer
Reinheit der Umrisse die verbessernde Hand RataePs verratheii.
Diese Aushiilfe, deren sich Marc-Anton zu erfreuen hatte, hat die
e , we c ie i in
Rafael bezahlt hatte, den Namen oder das Muriogramm des Ste-
ch '_rs nicht tragen. Dem sei, wie ihm wolle; Baimondi hat sicher
8116i" auf eigene Rechnung gearbeitet.
So lange Rafael lebte, hatte Fiir Marcantonio Alles den glücklich-
Sfßn Fortgang, nach dem 1520 erfolgten Tod desselben veränderte
sich aber seine Lage und die bescheidene Ruhe, Welche ü: gßflüsscn,
Wflfdß getrübt. Der sinnlich glühende Giulio Romano rief ihn aus
seinem streng religiösen Iireise und heredete ihn zuletzt zum Sti-
che von zwanzig leichtfertigen Darstellungen, die 6111110 gezeichnet
und Pietro Aretiiio besungcn hatte. Diese Blätter mussten den Un-
willen des Pabstes im höchsten Grade erregen, und damit die Verbrei-
hing dßfsßllßen gehindert würde, liess er die Platten durch lrleiikers
Hand. zcrstorei-i. Giulio Pippi entkam glücklich nach Mantua, der
ungluckllßhß Rfiimondi musste aber im Gefängniss biissen, bis er
Endlich auf dringendes Fürbitten des Gardinals Ipnlitq de' Medici
Anglern Kunstler-Lex. Bd. XII. 14