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Protogenes.
anderes als für Linien, andere glaubten, Apelles hätte irgend ei-
nen Gegenstand umrissen; wieder andere nahmen das Ganze für
ein Miihrchen des Plinius. Die Sache entbehrt indessen durchaus
nicht der Möglichkeit, und es dürfte buchstäblich wahr seyn, was
Plinius behauptet: lineam ex colore duxit suinmae tenuitatis per
tabnlain.
Die Gemälde dieses Iiunstlers waren sehr selten , aber un-
schätzbar, da sich in ihncii das genaueste Naturstudium und,
oft allzu sorgfältiger Fleiss offenbarte. Apellcs selbst hatte den
Protogenes getadelt, dass er bei seinen Arbeiten zu ängstlich ver-
fahre und nicht wisse, die Hand von denselben abzuziehen. Eiy
nen Beweis seiner Sorgsamkeit liefert das Meisterwerk des liünst-
lers. welches den Heros Jalysos vorstellte, mit seinem ltßUCllßlHlCH,
noch schäumenden Hunde, zu Rhodos im Tempel desselben aufge-
stellt. Protogenes malte sieben Jahre daran, oder gar eilf, wenn
Fronto Recht hat. Er soll während der Arbeit nur aiigefeuchtete
Lupinen genossen haben, um Hunger und Durst zu stillen. und uin
den Sinn nicht durch zu viel Süsse des Genusses abzustumpfen, wie
Plinius bemerkt. Der Künstler war bei der Darstellung dieses Stadt-
Heros ausserordentlich besorgt, und wollte das Bild dadurch vor
Beschädigung und Unbild der Zeit schützen, dass er es viermal
vollkommen übermalte, damit, wenn die obere Farbenlage weg-
ginge, die untere zum Vorschein käme. Dieses erzählt Hinius,
Neuere haben aber die Sache für fabelhaft erklärt. Hirt hat indes-
sen in den Schriften der liönigl. Akademie der Wissenschaften zu
Berlin 1801 zu erläutern gesucht, wie dies bei der Malerei der Al-
ten, welche zum Bindungsmittel. der Farben den Leim gebrauch-
ten, möglich, und bei der Sorgsamkeit des Proltngenes auch wahr.
sclieinlich sei. Diesem berühmten Bilde zu lieb hob DGmelriQ5
der Städtebezwinger Ol. 119 die Belagerung der Stadt llhodus auf,
weil er sie nur von der Seite mit Erfolg zu erstürmen hoffen konnte,
wo der Tempel des Jalysos stand, welcher dabei hätte zu Grunde
gehen können. Protogenes hielt sich damals in einem kleinen
Gartenhause der Vorstadt auf, wo ihn Demetrios öfter besuchte,
und ihm eine Sicherheitswache zutheilte, um ungestört arbeiten
zu können. Auch soll ihn der König gefragt haben, woher das
Zutrauen komme, sich gleichsam in Feindes Hände zu geben?
worauf der Meister erwiederte, er habe geglaubt, Denietriuspsei
gekommen, um die Stadt, aber nicht die liuiist zu beliriegen.
Das Bild des Jalysos wurde später nach Rom gebracht, wo es
Vespasian im Friedensteinpel aufstellen liess. Dasjenige, welches
Protogenes während der Belagerung malte, stellte einen ruhenden
Satyr vor, der die Flöte hielt. Dabei brachte er eine Wachtel
an, und zwar so natürlich, dass die Leute mehr auf den logel
als auf den Satyr sahen, bis sie endlich der Künstler wegstrich.
Einige glauben diesen Faun des Protogenesin den oft vorkom-
menden Bildwerlien zu erkennen, welche einen braun vorstellen,
der so eben aufgehört hat, die Flöte zu spielen", uber deren ver-
lalungene Töne er aber noch das innigste Vergnugen zu empfinden
scheint. Das Motiv dieses Bildes, welches den Beinamen des
Faun Anapauomcnos hatte, ist allerdings sehr ansprechend, so dass
es einen Bildhauer bewogen haben konnte, den Faun in einer Sta-
tue zu geben. Iin Pariser Museum sind zwei Exemplare.
Dann malte Protogeiies auch den "flepolemus und Cydippe, den
Tragödiendichter Philiscus nachdenkend. einen Athleten, den liö-
nig Antigonus, und die Mutter des Philosophen Aristoteles, der
den Künstler ermahnte, auch die Thaten Alexanders, ihrerUnver-
gesslichkeit Willen, zu bearbeiten; Plinius erwähnt aber nur Ein