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Nicolasl.
Ponssin ,
dessen Tractat von der Malerei mit erklärenden Figuren ans Licht.
Poussin war der. italienischen Sprache vollkommen mächtig, und
sprach sie mit Geliiufigkeit. Die Zierlichkeit seiner Sprache und
die Hoheit seiner Gedanken schien ihn vvreit über seinen Stand zu
erheben. Doch war er im hohen Grade bescheiden, und von Na-
tur aus etwas zurückhaltend. _Ganz glücklich fühlte er sich, nach-
dem er dem französischen Hof entflohen war. Jetzt lebte er einzig
der Kunst und der Ehre im bescheidenen Wohlstande, da Ponssin
den Reichthum nicht schätzte. Er forderte nur mässige Preise, und
schrieb denselben jedesmal auf die Kehrseite der Bilder. Legte
man ihm Etwas dazu, so schickte er den Uebcrschuss zurück. (l)
Er hatte aber auch für kein grosses Hauswesen zu sorgen. "Pcus-
sin lebte mit seiner Gattin, der Schwester des Caspar Ponssin, in
kinderloser, aber glücklicher Ehe. Er hatte nicht einmal einen
Bedienten, da er in seinem Hause die Ruhe über Alles liebte.
Diese störte ihm aber auch kein Schüler. So lebte er bis an sein
Ende einzig der edlen Bunst, und als die zitternde Hand dem
Fluge seines ungeschwächten Geistes nicht mehr folgen konnte,
schrieb er von seiner Samariterin dem Herrn von Chantelou, sei-
nem Freunde: Dies ist mein letztes Werk; ich berühre mein Ziel
schon mit der Fingerspitze. Dass sein Geist noch kurz vor seinem
Ende heiter war, beweisen zwei Briefe an Felihien und an M. de
Chambray, dem Verfasser der Parfaite Idee de la Peinture. Den
19. November 1665 wurden seine irdischen Ueberreste bei S. Lo-
renzo in Lucina beigesetzt. Im Jahre 1782 setzte ihm Graf d'Agin-
cnnrt im Pantheun folgende ei_.fache Inschrift: Nie. Ponssin Pictori
Galle Jean. Bapt. Lud. Giov. Serum-r rYAgincourt MDCCLXXXII.
Der grösste Theil von Poussin's Bildern ist in Rom entstanden,
gegenwärtig aber sind sie in verschiedenen Gallerien zerstreut. Ei-
nes seiner früheren in Rom ausgeführten VVerke von grösserem Um-
fange ist die Mnrter des heil. Erasmus in der vatikanischen Samm-
lung, als Vorbild zu einem Mosaikbild für die liirche des heil.
Petrus gemalt. Poussin erhielt diese grosse Arbeit auf Empfehlung
des Cav. Pozzo, und für diesen seinen Gönner fertigte er eben-
falls mehrere herrliche Werke. Darunter sind vor allen die sieben
Salsramente zu nennen, grossartige bildliche Darstellungen, welche
Puussin auch für den Herrn v_un Chantelou malte, doch in verän-
derter Form und in etwas kleinerem Formate. DieseGemälde sind
jetzt in England, und daher weiter unten bei Aufzählung der Bil-
der, wclche sich von Poussin in den Gallerien jenes Landes befin-
den, niiher erwähnt. In Rom sind jetzt wenig Gemälde von der
Hand dieses Künstlers mehr zu finden, obgleich in früheren Zei-
ten mehrere der Hauptvverke in den römischen Palliisten zu sehen
waren. Im Pallaste Boecapaduli waren die sieben Sakramente des
Cav. Pozzo, im Pallaste Giustiniani der Iiindermord, in der Gal-
lerie Colonna die Pest der Philister, im Pallaste Barberini der Tod
des Germanicus, in der Sammlung des Pallastes Rospiglinsi das
Bildniss eines Cardinals dieser Familie, und die Zeit mit den Jahres-
zeiten etc. Jetzt muss man die grösste Zahl der Bilder, die ehe-
dem in Italien bewahrt wurden, in Frankreich und in England
suchen.
In der Gallerie des Louvre zu Paris sind 58 Bilder von Pous-
sin. Folgende setzt Waagen in die frühere Zeit des Künstlers,
nach den oben bezeichneten Merkmalen: Narcissus hängt seiner
fruchtlosen Leidenschaft nach, im Grunde die vor Liebe zu ihm
verschmachtendc Echo. Flora, auf dem Wagen von Liebesgöt-
tern gezogen, wird von Mars und anderen Begleitern gefeiert,