Piombo, Fra Sebastiano de]. 337
von gleicher Griisse. Vasari sagt, dass man beide Bilder uns
endlich bewundert habe, und obgleich die Arbeiten RafaePs wegen
ihrer höchsten Grazie und Schönheit nicht ihres Gleichen hatten,
so seyen doch auch die Leistungen des Sebastiano allgemein und
von Jedermann gelobt worden. Dieses wird nach Dr. Waagen,
liunst und Iiiinstler etc. I. 186, noch heute ein jeder, der beide
Bilder kennt, sehr natürlich finden, denn es war nicht Sebastian
allein, es war mit ihm der grosse Michel Angele, welcher hier
gegen Rafael in die Schranlsen trat. Vasari sagt nenilich, dass
Pioinbo das Bild unter Leitung des Nleisters und theilvveise nach
dessen Zeichnung ausgeführt habe. Diess beweist auch der Au-
genschein; man sieht nach Dr. Waagen auf den ersten Blick, dass
manche Theile, besonders die Figur des Lazarus von keinem an-
dern, als IVlichel Angeln" gezeichnet seyii könne, so ganz in sei-
nem Geiste sind die lllotive, so grossartig und vom tiefsten Ver-
ständniss die Formen. Waagen geht so weit, zu behaupten, dass
die ganze Composition von Michel Angele, wenn vielleicht auch
nur in einer kleinen Zeichnung, angegeben worden sei, und dass
Buonarotti fiir die Figur des Lazarus dem im Nackten schwachen
Sebastian mit einem Carton ausgeholfen habe. Wunderbar geistreich
und zugleich der Schrift ganz getreu, ist in dein Lazarus der Uebcr-
gang vom Tode zum Leben ausgedrückt. Das Leichentuch, welches
sein Gesicht dunkel beschattet, erregt lebhaft die Vorstellung der Gra-
besnacht, die ihn noch vor kurzem umgeben; das aus diesem Dun-
kel scharf auf Christus, seinen Erlöser, blickende Auge zeigt uns
dagegen im schlagendsten Gegensatz das neue Leben in seinem
geistigsten Organ. Dieser ist auch indem Körper durchgeführt,
der in lebhafter Anstrengung ist, sich völlig von den Binden, die
ihn fest umwumleu halten, zu befreien. „Mein Herr und mein
Gott"! sagt nein ganzer Ausdruck. Die Geberden des in Gestalt
und Ausdruck edlen Christus ist ebenfalls sehr sprechend. Mit
der Linken deutet er auf Lazarus, mit der Rechten en Himmel,
als ob' er sagte: „Ich habe dich erweckt durch _die Igiraft dessen.
der mich gesandt hat," "was auch wieder ganz mit dem biblischen
' Text übereinstimmt. In den viclen andern Figuren ist Dank, Er-
staunen, gläubige Ueberzeugung, Zweifel in den verschiedensten
Abstufungen ausgedrückt. Eine sehr poetische Landschaft beschliesst
den hochgöiioininenen Horizont. Man sieht, dass Sebastian hier
in allen Stücken sein Aeusserstes gethan hat, indem die Ausfuh-
rung durchhin sehr gründlich und gediegen, die E:arbe_n Von gras-
scr Sättigung und Tiefe des Tons sind. Dennoch ist (lle Geßßmmt-
wirkung des Bildes jetzt etwas bunt und fleckig, denn manche
Stellen haben sehr nachgedunkelt, manche helle Farben treten zu
sehr hervor; überdem aber ist die ganze Oberfläche ungleichmässig
von einer starken Lage alter Fii-nisse und Schmutz beileckt. Noch
beklagenswerther ist es, dass die; Hauptwerk durch Wurmer, wel-
che von dem bei der Uebertragung auf Leinwand gebrauchten
Iileister angezogen werden, schon seit Jahren zernagt wird, ohne
dass die Direktion diesem Uebglglande abzuhbllen gesucht hat.
Die Zeit der Vollendung des Bildes ist 1519. Die Gebrüder Wood-
bnm in London, hatten noch 1857 einen sehr interessanten Brief,
d. d. 29. Dezember 151g des Sebastian del Pioinbo an seinen da-
mals in Florenz befindlichen Gönner Michel Angeln, aus welchem
hervorgeht, dass das Bild gegen diese Zeit fertig geworden ist.
Der Cardinal schickte es-nach Narbonne, und rlll blieb Selbes, bis
es der Regent, Herzog von Orleans, fiir 24,000 Fr. erkaulie. Als
es mit der Gallerie Orleans nach England kam, kaufte-es der Ban-
quier Angerstein für 5500 Guineen, welchem Hi". Beckford 20,099
Pfagleris Iiüizstler-Lex. BCLXI. 22