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Muziano ,
Girolamo.
Paesi, als er sich dem rein historischen Fache zuwendete, beson-
ders auf Anregung Michel Angeles Dieser Meister begünstigte
ihn, und verschaffte ihm Arbeit beim Cardinal von Este, der in
Tivoli. mit Muziandsßildern ein Landhaus ausschmückte. Jetzt
malte der Künstler lauter ernste und würdige Bilder, so wie denn
auch der Grundton seinesCharakters im hohen Grade streng und
fromm war, voll christlicher Milde. Er war aber nicht immer
ernst, er überliess sichiauch den Freude, und zeigte dabei einen
so liebenswürdigen Charakter, dass man bei ihm auf die glück-
lich,ste_ Mischung von Ernst und Lebhaftigkeit schlicssen konnte.
Seine Fähigkeiten entwickelten sich daher bei immer heiterem Ge-
miithe in ihrer ganzen Eigenthümlichkeit. und Muzianu ist so
weder Titian noch Michel Angeln, obgleich nicht zu läiugnen ist,
dass diese Meister und andere seiner Vorgänger oder Zeitgenossen
einigen Einfluss auf ihn übten. Muziano vernachlässigte nichts,
was ihn fördern konnte, und wenn er sich einmal etwas zum Ziele
setzte, so liess er sich durch nichts davon abwendig machen. So
erzählt man, dass er, um nicht zerstreut zu werden, sich Haar
und Bart so rein habe seheeren lassen, wie einem Galeerenskla-
ven. Dadurch war er gezwungen, sich aller Gesellschaft zu ent-
halten, und er konnte ungestört arbeiten. In seinen Werken of-
fenbart sich auch wirklich ein gründliches Studium und ein klarer
Verstand. Seine Compositioneu sind immer historisch wahrschein-
lich, verständlich und von glücklichem Standpunkte erfasst. Er
sah auf Adel und Schönheit der Form in Stellung und Bewegung;
seine Köpfe sind anmuthig und charakteristisch, und dann ist Al-
les gut gezeichnet, kräftig und naturgemäss colorirt. Man sagt
daher, dass dieser liünstler alle Theile der Malerei in gleich ho-
hem Grade besessen habe, und unter den Zeitgenossen nur von den
Caracci übertroffen worden sei. Zu seiner Zeit erreichte die Mo-
saik ihre höchste Vollendung. Diese wurde jetzt Nachahmerin der
Malerei, nicht mehr mittels ausgewählter und verbundener bunter
Steinchen, sondern mittels einer Zusammensetzung, Welche jedes
Colorit, jede Halbtinte, jede Abstufung, jeden Uebergang wie
mit dem Pinsel wiedergeben kann. Lanzi sagt, dass Baglione die
Verbesserung dieserKunst dem Muziano zuschreibc; er nennt
ihn den Erfinder der Art Mosaik in Oel, und lobt dessen Musi-
ven der Gregorianisehen Capelle bei St. Peter als die schönsten,
die nach den alten Zeiten gemacht worden. Da arbeiteten unter
Muzianifs Leitung P. Bossetti und M. Provenzale. Auch das an-
tiquarische Studium verdankt diesem Künstler nicht wenig. Er
vollendete die von Giulio Romano begonnenen Zeichnungen der
tra-janiseben Säule, welche Villaulena in Iiupfer stach und Alfonso
Ciacconeerläuterte. Dannhattc der Künstler um die Stiftung der
Akademie von St. Luca nicht nur im Leben wesentliche Verdienste,
sondern bedachte dieselbe auch bei seinem Tode sehr grossmülhig.
Es finden sieh noch viele Werke von diesem Künstler. Ausser
den oben erwähnten, in Rom befindlichen Bildern, sieht man da-
selbst-von ihm in der gemeinschaftlichen Sakristei der St. Peters-
kirche über dem Altare den Heiland, welcher dem Petrus die
Schlüssel überreicht. In S. Maria Transpontina zu Rom wird die
Enlpfängniss Mariä für sein Werk ausgegeben . diess scheint aber
einem anderen liüustler anzugehiiren. DieErweckung des Laza-
rns, ehedem in S. Maria Maggiore, wurde in den Quirinal ge-
bracht, und von da aus musste das Bild nach Paris wandern. Va-
sari sagt", dass Michel Angele den Urheber dieses Werkes als einen
der besten Künstler damaliger Zeit erklärt habe.