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Nenrenther ,
Engen
Napoleon.
des im Gedichte enthaltenen Gedankens auf neue eigenthümliche
Weise, bezeichnet Güthe selbst als höchst prägnant, als eine neue
Melodie, in der er sich, obwohl verjüngt, wicderfinde. Diese
liantlzeichnungen erschienen in dcr Cottzfschen Handlung, und im
Auftrage (lcrsclben reiste hierauf der liiinstler 1350 nach Paris, um
die Juliusdlevolutionsliedcr und die neuen französischen National-
gesäxigc in llaiitlzeiclinungen zu versinnlichen. Diese geistreichrn,
lehenrligen und charakteristischen Zeichnungen finden wir in dem
Werke: Souvenir du 29., 50., 51. Juillet etc.
Nach seiner Heimkehr machtersich Neureuther wieder an seine
Lieblin shcschüftigung, an die iandzeichnuneen zu den Dichtun-
gen deiätschcr Classiker, in welchen sein ßlgeriililtüllliliChc5 romanti-
sches 'l'alent und seine- unerschöpfliche Phantasie auf bisher nie
gesehene XVeise sich ausspricht, und er ist daher der eigentliche
Schöpfer seiner Art von Darstellungen aus Dichtern. Auch dieses
TVerli erschien von 1332 an in der Cuttzischeu Buchhandlung in
sechs Heften. Ein eigenes Werk bilden ferner die bayerischen Gebirgs-
lietler in ililderir, zwei Hefte mit Randzeichnungen, in gewohn-
ter lVic-isterscfiaft aufgefasst. und ausgeführt.
So gcisb, formen-l und phagitasiereich indessen alle bisherigen
Werke von iun sinc , so glau t dennoch ein Referent im Iiunst-
hlatte 1837 N0. 58, dass alle jene nur Vorstudien für das grosse
Blatt, in welchem er die wesentlichsten Beziehungen des Grimm-
schen Miiihrchens vom Durnrüslein zu einem malerischen Ganzen
vereinigct hat. Zu dieser Arbeit gab ihm 1835 der Kunstverein in
München den Auftrag, und Ncureuther compoiiirte und radirte da-
her sein Dornröslein als Vereinsgeschenk für 1356, welches der Di.
mension nach alle bis dahin erschienenen Blätter des Vereins über-
traf. Zwei Momente bot hier die Geschichte fiir die bildliche Dar-
stellung, entweder den Schlaf oder das Erwachen. Nein-einher
wlihlte das erstere. Wir sehen das von wilden Hosen uinwacliseiie
Schloss, und darin die Iiiinigstochter, wie sie vom Stich der Spin.
del getroffen, den hundertjährigen Schlaf schläft, und der Prolihe-
zeihung zufolge alles Uebrige: König und Königin, gestützt auf
Blumcnranken, der Pferdeknecht, der Jäger, die Magd, die liö-
chin, der Hoch, die Dachshunde, die Schwalbe im Neste, die
Katze etc., Alles ist entschlnfen. Wo die Dornen am dichtesten
sich um die Festsäulen vor dem Schlosse ranken, sieht man die
Helden, welche den Zauber zu lösen, vor der Zeit gekommen sind.
Mit Laune weicht der Künstler hier vom Wort des Miihrchens ab,
und übersetzt die "Iiünigssühiie" in allerhand vorgeblich sich Mü-
hende. Hier hängen in beilauerungswvürtligster Lage Bitter und
Iinappen, Maler und Musikanten, Spieler, Trinker und Fromme,
die alle zur Unzeit gekommen. Lebendig ist nur hoch oben die
Alte beim düstern Schimmer der Lampe, welche Uhland in der Pa-
raphrase des Mührchens so schön die Stubenpoesie nennt. Aber
ihr Stündlein hat geschlagen; der irroplliflßltß Üvnigssohn ist schon
glücklich ins Schluss gedrungen, und wir sehen, wie er sich über
die schlummernde Bönigstochter beugt, um 516 mit seinem Iiuss zu
wecken. Alles dieses, und noch mehrnsehen wir in Pracht und
Beichthum dargestellt. Dieses Blatt gehört aber auch in Hinsieht
auf Behandlung der Radirnadel zu den geistreichenWg-rlgen dieser
Art; derdiiinstler hat grossen Fleiss daran Verwendet, und das
Ganze mit einer Vollendung und Freiheit ausgeführt, die eine sehr
geübte Hand voraussetzt. Im Jahre 1856 fand Neureuther auch
wieder Gelegenheit, durch ein Gemälde seine Kunst zu erproben.