tikc; er verlangt Wahrheit der Färbung, Glanz und Wirkung,
und stellt Titian und Correggio zu Mustern auf. Das ist nun Al-
les gut, flihrt Speth fort; aber warum die Schönheit der Form nur
am Steine, die Farben und Idarbenwirltung nur im Gemiildersu-
chen? Soll es mehr seyu als Natur, was beide geben, so ist zu
fürchten, dass es weniger als sie, wenigstens die Natur nicht mehr,
wie sie zu wählen ist, die ungekiinstelte, so lebendig und cha-
rakteristisch, wie sie zur Individualität bei künstlerischen Darstel-
lungen passt. Ist es aber die Natur selbst, warum soll man sie
nur aus der Nachahmung selbst der besten und nicht unmit-
telbar aus ihr ziehen? Kurz die Alten sind von der Natur ausge-
gangen, sie hatten kein anderes Muster, durch sie allein sind sie
geworden, was sie sind, und dieser Weg ist auch den Neuem
nicht verschlossen; nur Inögen sie werden, was jene waren.
Um in Aufzählung der verschiedenen Meinungen über diesen
Künstler so ziemlich chronologisch zu verfahren, müssen wir jetzt
auf die Beurtheilung in der neuesten Beschreibung Roms von Ger-
hard, Bunsen etc. I. 568 ff. aufmerksam machen, da die gelehrten
Verfasser über den Künstler und seine Itiriifte sich ausführlich ver-
breiten. Dass lsmaePs eiserner Wille in Rafael einen Maler ge-
schalfen, ist unliiugbar, "aber" hcisst es in dem erwähnten Werke,
„nie vermochte er durch Zwang seinem Sohne den Geist zu erthei-
len, der durch seine über allen menschlichen Willen erhabene
Schöpfungskralt, das Schöne, Trefiliche und Lebendige erzeugt,
wodurch allein, vermittelst der Hunstdarstellung, Herz, Sinn und
Phantasie erregt und ergriffen werden kann. Diese göttliche Gabe,
die man unter dem Namen Genie begreift, war Menesen völlig
versagt, und weniger Einbildungskraft, als er, hat vielleicht kei-
ner unter den namhaft gewordenen Künstlern besessen. Auch Ta-
lent, als angeborne Geschicklichkeit im Gebrauche der Mittel zur
Darstellung, hatte er nicht in bedeutendem Grade von der Natur
erhalten. Was er leistete, verdankte er daher vornehmlich dem
Studium und unaufhörlichem Fleisse, und einem durch Scharfsinn
und Urtheilskraft erworbenen Geschmack. Doch war es ihm bei
seinem Bestreben der Kunst, eine veränderte und bessere Richtung
zu geben, sogar m der Theorie unmöglich, sich über das Princip
der Nachahmung zu erheben. Er erneuerte daher den Eklekticis-
mus der Carracci, zwar genauer bestimmt, und auf die Nachah-
mung nur weniger ausgezeichneter Vorbilder beschränkt, zeigt aber
in der praktischen Anwendung dieser lYIethode weit weniger Ta-
lent als diese Künstler. Den Rafael sollte man nach seiner Theo-
rie, in der Composition und im Ausdruck, den Curreggio in der
Totalwirkung der Farben und in der Beleuchtung, den 'l'izian in
der Wahrheit des Colorits, und die Antiken in der Schönheit der
Form zum Muster nehmen. Dabei wurde jedoch die Darstellung
der körperlichen Schönheit, ohne Rücksicht auf den wesentlichen
Unterschied der Malerei und Sculptur, als der höchste Zweck der
Iiunst, und daher die Antike unbedingt als höchstes Vorbild der-
selben aufgestellt.
Das vorzügliche Bestreben des Mengs, Schönheit der Form im
Charakter der antiken Sculptur zu zeigen, war es denn auch vor-
nehmlich, warum seine Verehrer kein Bedenken trugen, ihn über
alle Künstler neuerer Zeit zu erheben. Diese Lobpreisungen, ver-
bunden mit der Neuheit der Erscheinung einer völlig veränderten
Iiunstrichtung, erwarben ihm einen so ausgebreiteten Ruf, als vor
ihm nicht viele Maler in ihrem Leben genossen hatten. Dieser