Man uel ,
Nicolmxs.
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Beute habhaft zu werden. Aber es liegen der elgenthiimlichen Auf-
fassung hier auch noch tiefere Gedanken zu Grunde. Der Tod
bleibt bei Manuel die Hauptfigur, während er bei dem spätem
Holbein gegen die übrigen Gruppen mehr in den Hintergrund tritt;
er überragt seine Opfer. Seine physische Gewalt ist mit noch grös-
serer VVahrheit angedeutet, als auf älteren christlichen und selbst
antiken Bildern die geistige Würde der göttlichen: Personen. Dazu
kommt die tiefgedachte Charakteristik, und es fehlt auch an schü-
nen Nlotiven nicht.
Der genialen Auffassung kommt nun auch die tretYliche technische
Behandlung und Ausführung gleich. Es ist iiber das ganze Werk
eine VVahrheit und zugleich eine Anmuth ausgegossen, welche uns auf
liClXlGlIl ähnlichen Bilde jener Zeit begegnet. Das Ünschöne, Ver-
zerrtc, Abschreckende des Gerippes, wie das Harte, Steife und
Unlebendige in Gestalten und Bewegungen, ist, Ersteres auf die
sinnigste VVeisc iiberall , Letzteres beinahe vollständig vermieden.
Der Tod erscheint nirgends als der blosse lirioclienmann, sondern
bald mehr, bald weniger gewinnen die Gliedermassen eine rundere
wird erfiilltere Gestalt, die Pvluslieln sind grossenthcils mit dem Ge-
beiu verbunden, und an seinen Lenden, von seinen Schultern fal-
len hier und dort bedeckende Irlaarbüschel und dergleichen Hüllen-
des herab. Der Schedel ist häufig und mit grosser Abwechslung
bedeckt. Dabei sind die Stellungen natürlich, die Bewegungen
lebendig und zierlich, ohne der gehörigen Iiraft zu ermangeln.
Dasselbe zeigt sich an den übrigen Gestalten, welche indessen doch
nicht alle mit gleicher Trellliclilaeit aus den üblichen Formen der
deutschen Zeichnung damaliger Zeit, in Stellung und Faltenwurtf,
herausgebildet sind. Auch findet man die einfachen Gruppen in
Hinsicht der harmonischen Haltung gelungener als die mehr zu-
sammengesetzte. Die Zeichnung der einzelnen Sceneu aber ist
iiberaus wahr und bestimmt.
.Das Originalgemälde ManueYs ist nicht mehr vorhanden, aber
die Compositicin desselben haben wir noch in Nachbildungen. Die
Bilder waren wahrscheinlich mit VVassci-lairbeai oder al fresco ge-
malt, denn die Angabe, dass Manuel den Todtentanz mit Oelfar-
ben ausgeführt habe, beruht auf blasser Vcrmuthung und Un-
henutuiss der älteren Technik der iYInlerei. Die Entstehung des
Bildes fallt in die Jahre 1514 1522, und schon 1555 Wllülß E5
von Urban Wyss aufgefrischt. Später kann es nicht ßllfälfmdßll
seyn; denn 1522 Vging Mnnuel mit dem Heerzug nach Italien und
12'123 beginnt seine öffentliche VVirhsamkeit ixn Staatsdienste. Im
Jahre 164g machte Albrecht Iiauw in obriglteitlichem Auftrage eine
(Kopie in Wasserfarben auf Papier und eilf Jahre später wurde die
Blauer abgebrochen. um fiir eine breitere Strasse Baum zu lassen.
Einige Stücke waren noch geraume Zeit auf dem Ilathhause zu se-
hen. Brantloltf Egger, ehemaliger Landvogt zu St. Johaunsen,
schrieb Manuefs Verse hinzu, und jetzt wird sie in der Familien-
liste des Majors lWIanucl am Stadtbache aufbewahrt. Die zweite,
bekanntere Copie, von schönerer Zeichnung, aber verbliebenen
Farben, hat YY. Stettler gtefertigt. Sie soll eine Nachbildung der
Copie des Hauw scyn, in kleinerem Formate, aber Siegmund Wag-
ner zu Bern, eiu Iienncr schweizerischer Geschichte, behauptet, es
habe sich an den Blättern der liauvvfschen Copic ein Blatt einer
noch älteren Copie mit früherer Schrift befunden. welche ohne
Zweifel die Originalcopie von Iiauw sei, von welchen beide Co-
pien ausgehen. Die Stettlerische Copie ist jetzt im Auditorium der
Hochschule aufbewahrt.